Sonne und Erde im Strahlungsgleichgewicht

Auch wenn die Sonne in den ersten Apriltagen in Deutschland vielfach nicht von einem wolkenlosen Himmel schien, zeigte sie dennoch, was bereits in ihr steckt. So ließ sie das Quecksilber am Sonntag und Montag in der aus Süden herangeführten Warmluft vielerorts auf Werte um oder sogar knapp über 20 Grad ansteigen.

Die Sonne strahlt fortan, und zwar sozusagen mit der Erde um die Wette, denn Sonne und Erde befinden sich in einem
Strahlungsgleichgewicht. Aber wie kann das sein?

Die Oberflächenstrahlungstemperatur der Sonne beträgt etwa 6000 °C, die dabei abgesendete Strahlungsleistung liegt in der Größenordnung von 10 hoch 26 Watt (das ist eine Zahl mit 26 Nullen). Zum Vergleich: Ein großes Atomkraftwerk erzeugt eine Leistung von etwa 10 hoch 9 Watt.

Doch diese gigantische abgestrahlte Energiemenge kommt nicht vollständig bei uns an, denn aus Sicht der Sonne ist die Erde nur ein winziger Punkt im gesamten Weltall. Somit erreichen unseren "Blauen Planeten", bedingt durch den großen Abstand zum Zentralgestirn, wie man unsere Sonne auch nennt, "nur" etwa 10 hoch 17 Watt. Das sind bei genauer Berechnung und im Zenit stehender Sonne auf der Oberseite der Erdatmosphäre (der Grenze zum Weltall) 1368 Watt pro Quadratmeter. Mit dieser Leistung trifft die Sonnenstrahlung auf die Kreisfläche des Erdumfangs auf und wird im Allgemeinen als "Solarkonstante" bezeichnet.

Durch die Erddrehung trifft aus dem Verhältnis von Tag und Nacht im Mittel auf die gesamte Erdkugel nur ein Viertel von den oben erwähnten 1368 Watt pro Quadratmeter auf, d.h. die Sonne strahlt also nur mit einem Viertel der Solarkonstante, also mit 342 Watt pro Quadratmeter in Richtung Erde. Durch die Reflexion der Sonnenstrahlung an Wolken, Wasser- und Landoberfläche usw. werden dabei jedoch 30 % (mittleres Rückstrahlungsvermögen=Albedo der Erde) sofort wieder an das Weltall zurückgeben. Somit dezimiert sich die effektive mittlere Einstrahlung der Sonne am Erdboden auf 239 Watt pro Quadratmeter. Damit sich die Erde im Laufe der Zeit nicht immer weiter erwärmt, wird diese Energie nicht gespeichert, sondern mit demselben Betrag wieder in Form von Wärmestrahlung an das Weltall zurückgegeben. Die von der Sonne ankommende Einstrahlung steht also im Gleichgewicht zur Abstrahlung der Erde an den Kosmos. Bevor dies jedoch geschieht, sorgt eine Vielzahl an Umwandlungsprozessen für den Antrieb unseres globalen Klimasystems und ist somit auch für unser Wetter zuständig.

Mittels des Stefan-Boltzmannschen Strahlungsgesetzes lässt sich anhand der oben genannten 239 Watt pro Quadratmeter die Strahlungsgleichgewichtstemperatur der Erde berechnen. Diese liegt bei -18 °C (vgl. Sonne 6000 °C).

Auf die gleiche Weise lässt sich auch die Strahlungstemperatur anderer Planeten herleiten. Ein interessantes Beispiel ist der Planet Venus. Obwohl der Abstand zur Sonne im Vergleich zur Erde deutlich geringer ist, liegt die Strahlungsgleichgewichtstemperatur der Venus bei lediglich -46 °C. Grund dafür ist die extrem hohe Albedo, diese liegt bei fast 78 %. Als krasser Kontrast dazu beträgt die mittlere Bodenoberflächentemperatur auf der Venus menschenfeindliche +477 °C. Dieser große Unterschied zwischen Strahlungsgleichgewichtstemperatur und Bodenoberflächentemperatur liegt am Treibhauseffekt. Dieser ist durch die Zusammensetzung der dortigen Atmosphäre sehr stark ausgeprägt. Der Hauptbestandteil ist mit 95 % das auch auf der Erde viel diskutierte klimarelevante Treibhausgas "Kohlendioxid".

Auch auf der Erde sorgt der natürliche Treibhauseffekt mit seinen verschiedensten Treibhausgasen für eine Erwärmung. Zum Glück nicht mit derselben Ausprägung wie auf der Venus. Dennoch ergibt sich eine Erhöhung der Strahlungsgleichgewichtstemperatur von -18°C um +33 °C, sodass eine menschenfreundliche mittlere Erdoberflächentemperatur von +15 °C erreicht wird.

Relativ einfach zeigt sich durch die obigen Erläuterungen, dass die Strahlungsgleichgewichtstemperatur der Planeten durch die Abstrahlung der Sonne, den Abstand zu ihr und durch die Albedo der einzelnen Planeten festgelegt ist. Dagegen steht die Bodenoberflächentemperatur mittels des Treibhauseffektes in starker Abhängigkeit zur Zusammensetzung der Atmosphäre des jeweiligen Planeten.


Mag.rer.nat. Michael Tiefgraber
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.04.2016

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