Die Gewitterzeit hat in Deutschland begonnen und mit ihr die Zeit der heftigen Regengüsse, des Hagels und der Sturmböen. Majestätisch thronen sie am Himmel, der aus Cirren (im Deutschen als Federwolken bekannt, die sich in 8 bis 12 km Höhe befinden) bestehende Amboss erstrahlt weiß und bietet einen markanten Kontrast zum dunkel erscheinenden Rest der Gewitterwolke. So kennen wir sie, die Gewitterwolken. Doch wie sehen die Meteorologen diese Wolken aus der Perspektive eines Satelliten und können sie dem Meteorologen bestimmte Hinweise auf die Intensität des Gewitters geben?
Mithilfe eines Satelliten können wir unterschiedliche Höhenbereiche - unter anderem der untersten Schicht der Erdatmosphäre (der Troposphäre) - beobachten. In der heutigen Zeit der fortgeschrittenen Technologie ist es möglich, farblich verfälschte Satellitenbilder zu erzeugen, wo also mit zusätzlichen künstlichen Farben die Struktur der Wolkenobergrenze besser dargestellt werden kann. Damit ist es dem Meteorologen möglich zu erkennen, wie hoch die Wolke in die Troposphäre vorstößt- je höher, desto kälter ist die Wolke in der Troposphäre.
Für die Entwicklung eines Gewitters ist feuchte und warme Luft in Bodennähe notwendig, die aufsteigt und abkühlt. Ab einem bestimmten Höhenbereich kühlt sich die Temperatur auf den Taupunkt ab und die Luftmasse ist von hier an gesättigt - es setzt Wolkenbildung (Kondensation) ein.
Die nun entstandenen Wolken werden als Haufenwolken (lat. Cumulus) bezeichnet, die immer weiter anwachsen können. Wenn die Aufwinde (Bewegung der aufsteigenden Luft) kräftig genug sind, dann wachsen sie bis zur Tropopause. Dies ist der Bereich, der stabil geschichtet ist, das heißt, dass die Temperatur mit der Höhe wieder zunimmt und der die Troposphäre darunter von der Stratosphäre darüber trennt. Die Tropopause liegt an den Polen bei rund 8 km und steigt bis zum Äquator auf über 15 km an.
Wenn nun solch ein Aufwind an die Tropopause stößt, wirkt diese wie ein Deckel und die Wolke breitet sich horizontal aus - es entwickelt sich der "Amboss" und ein Gewitter ist geboren. Je stärker dieser Aufwind ausgeprägt ist, desto kräftiger und organisierter ist das Gewitter und desto stärker sind auch die Abwinde in der Gewitterwolke. Daraus erwachsende Hagelkörner werden mit den Auf- und Abwinden länger in der Wolke gehalten und können daher immer weiter anwachsen. Für die Meteorologen ist es also interessant zu wissen, wenn sich ein sehr kräftiger Aufwindschlot gebildet hat. Von besonderem Interesse sind die Gewitter, deren Aufwinde durch die Tropopause sogar durchstoßen und kurzzeitig bis in die untere Stratosphäre reichen. Dieses Überschießen bzw. der in die Stratosphäre reichende Aufwind wird in der Meteorologie als "overshooting top" bezeichnet.
Wenn man nun ein Gewitter mithilfe farblich verfälschter Satellitenbilder "inspiziert", dann erkennt der Meteorologe solche "overshooting tops" relativ gut, wie im Beispielbild zu erkennen ist (siehe DWD Archiv vom Thema des Tages). Nachdem der Aufwindschlot die Tropopause durchbrochen hat, muss sich dieser durch die stabil geschichtete Stratosphäre voran arbeiten, was die Aufwindgeschwindigkeit verringert. Dies geschieht so lange, bis der Aufwind so langsam geworden ist, dass er regelrecht zusammenbricht und sich der "overshooting top" auflöst. Je länger dieser besteht, desto stärker muss der Aufwind sein und desto wahrscheinlicher ist es, dass das Gewitter sehr kräftig, langlebig und schadensträchtig ausfallen wird.
Im Satelliten erscheint der Bereich des "overshooting tops" nach kurzer Zeit wärmer als die direkte Umgebung. Dafür gibt es viele Gründe, zum Beispiel wird die wärmere Luft der unteren Stratosphäre in den Aufwind gemischt und die Wolkenoberflächentemperaturen steigen. Farblich hervorgehoben sehen diese Bereiche manchmal vom Satelliten aus wie ein "U" oder ein "V".
Sobald solch eine Signatur im Satellitenbild zu erkennen ist, hat der Meteorologe neben den Radarbildern also einen weiteren Hinweis, dass das Gewitter langlebig und ein entsprechend hohes Gefahrenpotential aufweisen könnte und unter Beachtung unzähliger weiterer Parameter können entsprechende Warnungen herausgegeben werden. Da ein kräftiger "overshooting top" auch vor dem Eintreffen eines Gewitters durch eine Aufwölbung aus dem Amboss vom Boden aus gesehen werden kann, ist dies ein Hinweis darauf, dass das drohende Gewitter eines von der stärkeren Sorte ist.
Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 17.05.2016
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