Hitze, Sturm und Regen in Indien

In Südasien dominiert der "Monsun" (ein großräumiges Land-Seewind-System, das die Regen- und Trockenzeiten bestimmt) das Dasein der Menschen, als Wasserspender, in wirtschaftlicher Hinsicht, oftmals aber auch mit drastischen Folgen für Leib und Leben, und zwar im Falle von Dürren oder Überschwemmungen. Er ist also Fluch und Segen zugleich.

Vor dem alljährlichen Südwest- oder Sommermonsun aber kommt die Hitze. Ende Mai/Anfang Juni, also kurz vor Beginn der Regenzeit, gehören das Tal des Stromes Indus, der Punjab sowie das westliche Rajasthan zu den heißesten Gegenden der Erde. Verbreitet herrschen Tageshöchsttemperaturen nahe, örtlich sogar über 50 °C.

Beispielsweise wurden am gestrigen 18. Mai 2015 im pakistanischen Sibi (Belutschistan, 29°33'N, 67°53'E, 133 m Höhe) 51,0 °C gemessen und damit der dortige bisherige Temperaturrekord der Klimanormalperiode 1971-1990 eingestellt. In Jacobabad (Provinz Punjab, 28°38'N, 68°31'E, 55 m Höhe), Pad Idan (Provinz Sindh, 27°00'N, 68°07'E, 46 m Höhe) sowie in Phalodi (Rajasthan, 27°08'N, 72°22'E, 302 m Höhe) wurden jeweils 50,5 °C registriert.

Währenddessen bildete sich am vergangenen Sonntag (15. Mai) knapp östlich von Sri Lanka aus einer flachen tropischen Depression der tropische Sturm ROANU. Er folgt seit seiner Entstehung stets der indischen Küstenlinie im Golf von Bengalen, zog also zunächst nordwärts, dann nordostwärts und wird schließlich in der Nacht zum 22. Mai (Ortszeit) nahe der Stadt Chittagong (Bangladesch) an Land gehen. Seine Zuggeschwindigkeit beträgt z.Z. etwa 8 km/h.

ROANU wird sich zuvor nach Angaben des indischen Wetterdienstes noch verstärken und dann als "schwerer tropischer Sturm" klassifiziert werden. Dann muss in seinem Einflussbereich mit Spitzenböen von 64 bis 71 Knoten gerechnet werden, das entspricht 119 bis 131 km/h bzw. Windstärke 12 Bft.

Neben Böen in Orkanstärke sind die gewaltigen Niederschlagsmengen ein weiteres Merkmal tropischer Wirbelstürme. So fielen in vierundzwanzig Stunden bis Donnerstag, den 19.05.2016, 00:00 Uhr UTC, im indischen Kakinda (Andhra Pradesh, 17°05'N, 82°14'E, 7 m Höhe) 164 L/m² (= mm) und im benachbarten Vishakhapatnam (Andhra Pradesh, 17°52'N, 83°11'E, 45 m Höhe) 103 mm. Ein Ausläufer des Wirbelsturms sorgte im gleichen Zeitraum in Bengalen für üppige Niederschläge, z.B. in Sylhet (Bangladesh, 25°04'N, 91°53'E, 34 m Höhe) mit 119 mm.

Verursacht durch den Tropensturm ROANU, aber noch deutlich im Vorfeld der eigentlichen "Monsunfront" (engl. "Northern Limit of Monsoon", Abkürzung NLM) regnete es auch auf Sri Lanka seit Tagen, z.T. von schweren Gewittern begleitet. Dabei registrierte man innerhalb von vierundzwanzig Stunden bis Dienstag, den 17.05.2016, 06:00 Uhr UTC an der Station Maha Illuppallama (08°09'N, 80°29'E, 117 m Höhe) sintflutartige 274 mm und in Anuradhapura (08°19'N, 80°25'E, 93 m Höhe) 200 mm. Als unmittelbare Folge der Regengüsse verschütteten in der Nacht zu Mittwoch katastrophale Erdrutsche zwei Dörfer im Distrikt Kegalle, rund 100 Kilometer von der Hauptstadt Colombo entfernt. Dabei kamen mindestens 16 Menschen ums Leben, 220 Familien werden noch vermisst, wie die Katastrophenschutzbehörde des Landes am Mittwoch mitteilte.

Unten finden Sie ein infrarotes Satellitenbild (10,8 µm) des Wirbelsturmes vom Donnerstag, 19.05.2016, 06:00 Uhr UTC, ergänzt um eine Prognose der Windgeschwindigkeit (in Knoten [kt], 1 Knoten = 1,852 km/h) des ECMWF-Vorhersagemodells vom 18.05.2016, 12:00 Uhr UTC. Dabei wird im Zentrum ein Windmaximum von 82 kt = 156 km/h berechnet.


Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 19.05.2016

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