Schon seit über einer Woche beschäftigt uns eine ungewöhnlich lang andauernde Unwetterlage. Tief Mitteleuropa nennt sich die Großwetterlage, die die schweren Unwetter und Überflutungen der vergangenen Tage verursacht hat. Im Folgenden sei eine kurze Chronik des Verlaufs der Unwetterlage angeführt. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
27.05.
Am Freitag befand sich das Tiefdruckgebiet noch über Westfrankreich, führt aber bereits schwülwarme Mittelmeerluft nach Deutschland. Erste Schauer bildeten sich am Vormittag über der Eifel. Diese brachten einen Tornado bei Raffelsbrand hervor. Es gab jedoch keine Schäden an Gebäuden.
Am Nachmittag entwickelte sich über dem Norden von Rheinland-Pfalz eine sogenannte Superzelle, eine besonders kräftiges rotierendes Gewitter, das bis ins Rhein-Main-Gebiet zog. Auf seiner Zugbahn hinterließ das Gewitter überflutete Straßen und vollgelaufene Keller. Durch einen Erdrutsch auf eine Bahnstrecke an der Mosel entgleiste ein Zug. Gegen Abend traf die Superzelle auf Wiesbaden, wodurch es zu Überflutungen und Hagel kam. In Hofheim am Taunus lag der Hagel teilweise 30 cm hoch. Weitere Unwetter gab es in Baden-Württemberg und Köln.
28.05.
Am Samstag weitete sich die Tiefdruckzone über die Mitte und den Süden Deutschlands aus. Dort gab es wieder heftige Gewitter, die für Überflutungen in Kaiserslautern, bei Regensburg, in der Eifel und örtlich auch im Saarland brachten.
Im Süden von Rheinland-Pfalz wurden 35 Menschen während eines Fußballspiel durch einen Blitzschlag verletzt.
29.05.
Am Sonntag zog das Tiefzentrum in den Südwesten Deutschlands und setzte sich dort fest. Ein weiterer Schwall feuchter Luft wurde von Südosten herangeführt. Die Gewitterlage erreichte an diesem Tag einen ersten Höhepunkt.
Zunächst bildeten sich nur einzelne aber sehr heftige Hagelgewitter. So zum Beispiel am Mittag bei Eibenstock im Erzgebirge. Dort gab es eine Hageldecke von 30 bis 50 cm Höhe sowie mehr als 80 mm Niederschlag in kurzer Zeit, was zu Überflutungen führte. Weitere Hagelunwetter trafen die Region um Ulm und dem Thüringer Wald.
Am Nachmittag und Abend bildete sich über Süddeutschland ein größerer Gewitterkomplex. Ein sogenanntes "Mesoskaliges konvektives System", das nachts nordwestwärts nach Westdeutschland zog. Durch die nur langsame Verlagerung kam es zu teils extremen Niederschlägen mit Stundensummen um 50 mm. Gebietsweise fiel mehr als das übliche Monatsmittel innerhalb von wenigen Stunden (lokal ~ 120 mm). Zahlreiche Überflutungen waren die Folge. Besonders dramatisch war die Lage in Schwäbisch Gmünd und Braunsbach und bei Schwäbisch Hall in Baden-Württemberg, wo sich der Dorfbach in einen reißenden Fluss verwandelte und die Orte verwüstete.
30.05.
Nach Abzug der Gewitter im Süden wurde die schwülwarme Luft nach Norden verdrängt und durch kühlere Atlantikluft ersetzt. Dies führte zu einer vorläufigen Beruhigung der Wetterlage in Süddeutschland.
Anders sah die Situation im Norden aus. Dort bildete sich in der schwülwarmen Luft von Mittelbrandenburg bis zur Altmark eine Gewitterlinie, die unter Intensivierung nach Nordwesten zog. Später breiteten sich die Gewitter über Niedersachsen bis in die Niederlande aus. Da keine dicht besiedelten Gegenden betroffen wurden, blieben diesmal größere Schäden zumeist aus.
31.05.
Weitere lokale Unwetter im Norden und Osten richteten zumeist vergleichsweise geringe Schäden an.
1.06.
Der Mittwoch brachte den 2. Höhepunkt der Unwetterlage. In Niederbayern entwickelte sich aus der Nacht heraus eine Gewitterlinie, die sich kaum verlagerte und extreme Niederschläge im Grenzbereich zu Österreich brachte. In Region fielen weit über 100 mm Niederschlag. Dies führte zu einer Flutwelle, die durch Simbach rollte und katastrophale Schäden anrichtete. Die Flut forderte 7 Todesopfer.
Weitere Unwetter gab es im Westen und Osten. Leipzig wurden von einem Gewitter getroffen, wobei Straßen überflutet wurden. In Düsseldorf gab es mehrere vollgelaufene Tunnel. Durch mehrere schwere Gewitter bei Xanten, wurde die Altstadt überflutet und ein Zug blieb im Schlamm stecken. Dort fielen etwa 90 mm in 8 Stunden. An der Issel bedrohte ein Dammbruch den Ort Hamminkeln.
Gewitter mit Starkregen sorgten ebenfalls für ein Rekordhochwasser an der Ahr im nördlichen Rheinland-Pfalz.
Kurzzeitige Überflutungen wurden ebenfalls aus Wernigerode im Harz gemeldet.
Bei Velbert in NRW richtet ein Tornado am Abend nur leichte Schäden an.
2.06.
Gab es weitere kräftige Gewitter im Nordwesten. Besonders betroffen war aufgrund der Entwicklung am Vortag der Niederrhein. Im Landkreis Wesel wurde aufgrund der kritischen Lage an den Dämmen der Issel Katastrophenalarm ausgerufen.
In Hamm stürzten während eines Gewitters Bäume auf Dächer.
Ein weiterer Tornado wurde bei Mitterteich in der Oberpfalz gesichtet.
3.06.
Auch an diesem Tag konzentrierten sich schwere Gewitter auf das südliche Nordrhein-Westfalen und nördliche Rheinland-Pfalz. Rock am Ring bei Koblenz wurde von einem kräftigen Gewitter getroffen. Es gab heftigen Starkregen und mehrere Verletzte bei einem Blitzschlag.
Ein 2. Gewitterherd bildete sich im Alpenvorland. Dort fielen am Hohenpeißenberg 61 mm Niederschlag.
4.06.
Auch heute muss wieder mit schweren Gewittern in der Südwesthälfte gerechnet werden. Laut den aktuellen Modellläufen liegt der Schwerpunkt wahrscheinlich wieder vom südlichen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz bis zum östlichen Alpenrand. Im Nordosten sickert allmählich trockenere Luft ein. Dort ist nur mit einzelnen Gewittern zu rechnen.
5.06.
Am Sonntag kann es in der Südwesthälfte wieder unwetterartige Gewitter geben.
Beginn der neuen Woche:
Die stabilisierende trockene Luft dringt weiter nach Südwesten vor, sodass die gewitterträchtigen Luftmassen in den äußersten Süden und Westen verdrängt werden. Das Unwettertief löst sich allmählich auf und es macht sich zunehmender Hochdruckeinfluss bemerkbar.
Einen ausführlichen Bericht und eine klimatologische Einschätzung finden Sie im DWD-Pressebericht zum Thema unter:
http://bit.ly/24ogfoM
Dipl.-Met. Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.06.2016
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst