In den letzten Tagen entwickelten sich wiederholt kräftige Gewitter, die teilweise auch linienhaft organisiert waren und oftmals mit unwetterartigem Starkregen sowie größerem Hagel einhergingen. Beispielhaft fielen dem Radar zur Folge in Teilen des Wendlandes am gestrigen Samstag, den 4. Juni, in wenigen Stunden bis 100 Liter Regen auf den Quadratmeter. Auch am heutigen Sonntagmorgen sorgten linienhaft angeordnete wiederholt auftretende Gewitter im Osten Bayern für Starkregen bis 40 l/m². Schon am Samstagabend meldete die Station Osterhofen-Thundorf im Südosten Bayerns innerhalb einer Stunde 53 Liter pro Quadratmeter. Beobachtet wurde in der letzten Unwetterwoche zudem häufiger großer Hagel mit 2 bis 3 cm Durchmesser. Oftmals waren die linienhaften Gewitterstrukturen das Resultat von zusammenströmender Luft.
In der Atmosphäre wird bei jeder Bewegung auch Masse transportiert. Da die Atmosphäre nicht beliebig komprimierbar ist, schafft die Atmosphäre dort, wo Konvergenz (Zusammenströmen) und Divergenz (Auseinanderströmen) in der Horizontalen auftritt, vertikale Ausgleichsströme. Dabei steigt über einem Konvergenzgebiet die Luft am Boden auf und divergiert in der Höhe. Über einem Divergenzgebiet am Boden sinkt die Luft stattdessen ab und konvergiert in der Höhe (vgl. Graphiken 1 und 2).
Die so genannten Konvergenzlinien beschreiben dabei eine bestimmte Zone von zusammenfließender (konvergierender) Luft in Bodennähe. Der resultierende Massenüberschuss am Boden wird dabei durch kompensierendes Aufsteigen ausgeglichen. Im Gegensatz zu den Luftmassengrenzen wie Warm- oder Kaltfront handelt es sich bei Konvergenzlinien um Phänomene, die innerhalb einer Luftmasse auftreten und somit nicht zwingend thermische Gegensätze abtrennen.
Typische Konvergenzlinien entstehen in Mitteleuropa z.B. bei starker Warmluftzufuhr aus Südwesten in einem gewissen Abstand vor der nachfolgenden Kaltfront. Dabei markiert die Konvergenzlinie nicht selten die Achse der wärmsten Luft am Boden, die in der Höhe häufig von vorauseilender Kaltluft überlaufen wird. Nachfolgend stellen sich große vertikale Temperaturunterschiede ein, die schließlich vertikale Umwälzungen hervorrufen. Die Folge sind meistens starke Gewitter.
Neben der beschriebenen, dynamischen Entstehung einer Konvergenzlinie können auch thermische Bedingungen zusammenströmende Luftmassen auslösen. Kann sich der Erdboden und somit auch die bodennahen Luftschichten in einer schmalen Zone beispielsweise durch die Sonneneinstrahlung sehr stark aufheizen, kommt es ebenfalls zum Aufsteigen der warmen und daher leichten Luft. Der Massenverlust am Boden muss schließlich durch zusammenströmende Luft ausgeglichen werden.
Ein erster Hinweis einer sich bildenden Konvergenzlinie ist der beginnende Druckfall in einem langgezogenen Bereich, der sich von der Umgebung deutlich unterscheidet.
Auch am heutigen Sonntag sowie an den nächsten Tagen muss vor allem in der Westhälfte weiter mit kräftigen, teilweise auch unwetterartigen Gewittern mit heftigem Starkregen und großem Hagel gerechnet werden. Regional können dabei auch wieder Konvergenzlinien die Finger mit im Spiel haben.
Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.06.2016
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