Im April 1815 brach der auf der indonesischen Insel Sumbawa gelegene und auch heute noch aktive Stratovulkan Tambora aus. Die Eruption erreichte dabei die zweithöchste Intensität von 7 auf dem Vulkanexplosivitätsindex (VEI). Bei diesem Ereignis wurden neben ungefähr 150 km³ Staub und Asche unter anderem auch Schwefelverbindungen in die Stratosphäre geschleudert, wo sie sich als Schwefelsäureaerosole verteilten und wie eine Art Schleier um den Globus legten.
Weil die Aerosoltröpfchen nur sehr klein sind und im Gegensatz zur Troposphäre in der Stratosphäre das Ausregnen und Auswaschen als sehr effektive Reinigungsprozesse fehlen, klingen die vulkanischen Störungen nur durch langsames Ausfällen der Partikel ab. Von den Aerosolen werden die Sonnenstrahlen teilweise absorbiert oder zurückgestreut, wodurch es zur Erwärmung der Stratosphäre kommt. Am Boden führen diese Vorgänge hingegen im Mittel zur Abkühlung des Weltklimas, regional und abhängig von der Jahreszeit kommt es aber gleichzeitig auch zu Erwärmungen. Da sich die Aerosolmasse mit einer Halbwertszeit von etwa einem Jahr reduziert, können solche klimatischen Veränderungen durchaus längere Zeit anhalten.
Allerdings deuten Auswertungen grönländischer und antarktischer Eisbohrkerne darauf hin, dass der Ausbruch des Tambora nicht allein verantwortlich dafür war, dass die Dekade von 1810 bis 1820 die weltweit kälteste der letzten 500 Jahre wurde. Vielmehr wird vermutet, dass andere größere Vulkanausbrüche (VEI größer gleich 4), wie beispielsweise die des Awu (1812) und des Suwanosejima (1813) bereits durch eine substanzielle Anreicherung von Aerosolen die Durchschnittstemperatur sukzessive senkten. Ein weiterer begünstigender Faktor war wohl auch die erheblich reduzierte Aktivität der Sonne im sogenannten Daltonminimum (Periode geringerer Sonnenfleckenaktivität zwischen 1790 und 1830).
Im Endeffekt resultierte daraus, dass die Sommermonate Juni, Juli und August 1816 in Deutschland im Mittel etwa 1 bis 2,7 Grad kälter als im Referenzzeitraum 1971-2000 ausfielen, wie auch die Grafik auf http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2016/6/11.html zeigt. In Teilen Frankreichs gab es sogar negative Abweichungen von über 3 Grad. Im Juli trat Frost auf, in der Schweiz schneite es mitunter bis in tiefe Lagen - das Jahr 1816 blieb "das Jahr ohne Sommer" und das nicht nur in Europa. Auch im Osten Kanadas und in Neuengland fiel während des eigentlichen Sommers Schnee, der in Quebec zeitweise eine Höhe von 30 cm erreichte. Zudem kam es in Mitteleuropa zu schweren Unwettern mit heftigen Regenfällen.
In der Folge führte alles zusammen zu katastrophalen Überschwemmungen und Missernten und das, nachdem Europa erst kürzlich durch die Napoleonischen Kriege gebeutelt wurde. Am stärksten betroffen waren die Gebiete unmittelbar nördlich der Alpen: Baden, Württemberg, Bayern, Vorarlberg, Elsass und Deutschschweiz, wo der Getreidepreis 1817 das Zweieinhalb- bis Dreifache des Niveaus von 1815 erreichte. Aber nicht nur in Europa, sondern auch in der übrigen Welt hungerten die Menschen angesichts der stark in die Höhe geschossenen Preise für Getreide und Reis.
Übrigens reduzierte sich aufgrund der Nahrungsknappheit der Pferdebestand in Europa beträchtlich, wodurch die Entwicklung der Draisine vorangetrieben wurde. Im Königreich Württemberg, welches besonders hart von den Folgen des "Jahres ohne Sommer" getroffen wurde, stiftete König Wilhelm I. gemeinsam mit seiner Frau Katharina Pawlowna ein "jährlich am 28. September zu Kannstadt abzuhaltendes landwirtschaftliches Fest", heute umgangssprachlich bekannt als "Cannstatter Wasen".
M.Sc. Met. Stefan Bach
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.06.2016
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