Der Jahresverlauf der Witterung an einem Ort oder in einem Gebiet besteht aus einer Folge typischer Wettersituationen, den sog. Großwetterlagen. Diese ergeben sich durch bestimmte großräumige Luftdruck bzw. Geopotentialverteilungen und die daraus resultierenden Strömungsmuster. Welche Großwetterlage sich einstellt, wird letztendlich durch die allgemeine Zirkulation der Atmosphäre bestimmt und manifestiert sich im raum-zeitlichen Verhalten der atmosphärischen Höhenströmung in der mittleren Troposphäre.
Diese fließt auf der Nordhalbkugel stets so, dass, in Stromrichtung betrachtet, auf der rechten Seite hoher Luftdruck bzw. hohes Geopotential und auf der linken Seite tiefer Luftdruck bzw. niedriges Geopotential herrschen. Das Wetter selbst wird außerdem noch durch die Eigenschaften der in das jeweilige Zirkulationsregime einbezogenen Luftmassen dominiert. Es kann während der Andauer einer Großwetterlage an einzelnen Orten innerhalb des betrachteten Gebietes durchaus wechseln, der Witterungscharakter bleibt jedoch erhalten.
Die seit dem gestrigen Mittwoch vorherrschende Wetterlage nennt sich "Trog Westeuropa" (wiss. Abk. TrW). Sie gehört zu den meridionalen Zirkulationsformen, d.h. sie ist durch eine stark mäandrierende Höhenströmung gekennzeichnet. Derzeit verläuft diese über dem Ostatlantik in Nord-Süd-Richtung, kehrt etwa über der Iberischen Halbinsel um, wendet sich zunächst nordostwärts und schließlich über Mitteleuropa nordwärts. Somit befindet sich über Westeuropa ein ausgedehntes Gebiet niedrigen Luftdruckes bzw. Geopotentials, welches im Meteorologenjargon gern als "langwelliger Trog" bezeichnet wird.
In der dort vorhandenen, hoch reichenden Kaltluft nimmt der Luftdruck in der Vertikalen schneller ab als in warmer Luft, so dass ein Höhentrog immer mit tiefem Luftdruck bzw. niedrigem Geopotential in der mittleren und höheren Atmosphäre verbunden ist. Die Wechselwirkung mit den tieferen Atmosphärenschichten besteht nun darin, dass bei Wanderung des Troges Luft nach oben angesaugt bzw. von unten "gehoben" wird. Folglich fällt aus Kontinuitätsgründen der Luftdruck am Boden und es bildet sich auch dort ein Tiefdruckgebiet oder ein bereits vorhandenes Tief verstärkt sich. Die atmosphärische Höhenströmung "steuert" also die Bildung und Verlagerung der Hoch- und Tiefdruckgebiete im Bodenniveau.
Durch eine "Lee-Zyklogenese" hat sich im nördlichen Alpenvorland bereits ein flaches Tiefdruckgebiet gebildet. Dieses wird nun durch eine kurzwellige Komponente des westeuropäischen Troges verstärkt und zieht bis Freitagabend an der Trogvorderseite über Tschechien und Polen hinweg ins Baltikum. Dabei ist zunächst im Alpenraum, dann in den östlichen Mittelgebirgen und später nordöstlich der Elbe mit ergiebigem Dauerregen zu rechnen, der z.T. schauerartig verstärkt oder gewittrig ist und gebietsweise Unwettercharakter annehmen kann. Darüber hinaus lebt die Gewittertätigkeit allgemein im Verlaufe des heutigen und morgigen Tages in Deutschland wieder auf, wobei erneut unwetterartige Entwicklungen nicht ausgeschlossen sind.
Unten finden Sie eine vom heutigen 00:00-UTC-Lauf des Vorhersagemodells des ECMWF berechnete Prognose der geopotentiellen Höhe der 500-hPa- sowie der 850-hPa-Hauptdruckfläche für Freitag, den 17.06.2016, 12:00 UTC. Das 500-hPa-Niveau (obere Abbildung) repräsentiert die mittlere Atmosphäre, in der 850-hPa-Fläche (untere Abbildung) zeigt sich die Struktur der unteren Atmosphäre. Am Freitagnachmittag liegt der Kern des Bodentiefs an der polnischen Ostseeküste, die steuernde kurzwellige Komponente über Polen bleibt noch etwas zurück.
Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.06.2016
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