Die teilweise ergiebigen Regenfälle der letzten Wochen haben nicht nur kleine Bäche und Flüsse zum Überquellen gebracht, auch große Seen und Flüsse reagieren auf solche Wassermassen. Während vor einem Jahr einige Gewässer nahezu ausgetrocknet waren, sind aktuell die Pegel vielerorts weit über die Normalwerte angestiegen. Deutlich wird dies, wenn man das Verhalten des Bodensees betrachtet. Wer sich derzeit an dessen Ufern aufhält, der kann ein nicht allzu häufiges Naturschauspiel erleben, denn der Bodensee führt Hochwasser, wodurch einige Ufer und Promenaden rund um den größten See Deutschlands überflutet wurden.
Von einem Hochwasser spricht man am Bodensee, wenn der Wasserstand am Pegel Konstanz die Marke von 4,80 Metern überschreitet. Am heutigen Freitag beträgt der Wert 4,97 Meter und weist somit wieder eine leicht abnehmende Tendenz auf. Der Höchststand von etwa 5 Metern wurde bereits am vergangenen Dienstag erreicht, ein Pegelstand der nur etwa alle 10 Jahre vorkommt.
Der Wasserstand des Bodensees weist im Verlauf eines Jahres typische saisonale Schwankungen auf. So treten die jahreszeitlich niedrigsten Wasserstände in der Regel im Winter auf, wenn der Niederschlag in den Alpen zumeist als Schnee fällt und die Wasserzufuhr über den Alpenrhein - einer der Hauptwasserquellen für den Bodensee - deutlich geringer ausfällt. Die höchsten Wasserstände gibt es dann im späten Frühjahr beziehungsweise im Sommer, wenn ein Großteil des im Winter gefallenen Schnees abschmilzt. Ebenfalls für einen Anstieg des Pegels sorgen schließlich die zusätzlichen Regenfälle im Einzugsgebiet des Bodensees. Zu den Hauptzuflüssen des Bodensees gehören neben dem Alpenrhein aus den Schweizer Alpen die Bregenzer Ach aus dem Bregenzer Wald, sowie die kleineren Flüsse Schussen und Argen aus Oberschwaben. Der einzige Abfluss aus dem Bodensee ist der Rhein, der bei Stein am Rhein das Seebecken verlässt und seinen Weg Richtung Nordsee fortsetzt.
In diesem Jahr gab es im Süden Deutschlands und insbesondere im Bodenseeraum bereits reichliche Niederschläge. Auf ein überdurchschnittlich nasses Frühjahr in der Bodenseeregion folgten besonders Ende Mai und im Juni wiederholt Dauerregen- beziehungsweise Starkregenereignisse. So fielen allein im Juni rund um den Bodensee um 100 mm Regen, gebietsweise waren es sogar über 200 mm.
Besonders hervorzuheben sind die kräftigen und teils länger anhaltenden Niederschläge am Donnerstag und Freitag vergangener Woche vor allem in den Schweizer Alpen. Ein Tief hatte dabei das Land von Südwest nach Nordost überquert und zog am Freitag bis nach Polen weiter. Dabei fielen innerhalb von 48 Stunden beispielsweise im St. Galler Rheintal zwischen 50 und 90 mm Regen. Als Folge stieg der Pegel in Konstanz innerhalb weniger Tage um etwa 50 cm an. Wenn man bedenkt, dass die Oberfläche des Sees 536 km² beträgt, entspricht dies einem Zuwachs von 268 Millionen Kubikmeter Wasser.
Das letzte große Hochwasser gab es an Pfingsten 1999. Damals stieg der Pegel innerhalb eines Tages um 47 cm an. Der See erreichte in Konstanz einen Pegelstand von 5,65 Meter. Noch höher war der Pegel nur noch im Jahr 1817, damals wurden sogar 6,23 Meter gemessen.
Aktuell weisen die Pegelstände rund um den Bodensee zwar eine leicht abnehmende Tendenz auf, schon heute und insbesondere am morgigen Samstag ist aber auch im Süden Deutschlands sowie im Alpenraum vermehrt mit Schauern und Gewittern zu rechnen, die an den Alpen auch in länger anhaltende Niederschläge übergehen können. Ein neuerliches Ansteigen der Pegel ist also möglich.
Dipl.-Met. Johanna Anger
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.06.2016
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