Vor mehreren Wochen haben nun in ganz Deutschland die Sommerferien begonnen, wobei das eine oder andere Bundesland bereits wieder langsam den (Schul-)Alltag probt. Als eine der beliebtesten ganzjährigen Ferienregionen gilt schon seit langem der Mittelmeerraum. Beständiges Wetter, sommerliche Wärme, viele Sonnenstunden und angenehme Wassertemperaturen zeichnen die verschiedenen Mittelmeerländer aus und sorgen somit für die passende Urlaubsatmosphäre. Der Faktor Wind wird jedoch, bis auf den Gedanken an eine erfrischende Brise, häufig bei der Ferienplanung außer Acht gelassen. Dabei existieren auch im Mittelmeergebiet eine Reihe unterschiedlicher Windsysteme, die zum Teil das ganze Jahr - und damit auch während der Haupturlaubssaison - auftreten können. Besonders bekannte Winde des Mittelmeerraumes sind unter anderem der "Schirokko" oder aber auch die "Bora" und der "Mistral".
Der "Schirokko" (siehe auch Thema des Tages vom 18.04.2016) bezeichnet einen heißen und zunächst trockenen Wüstenwind aus der Sahara, der das ganze Jahr über auftreten kann, aber während der Übergangsjahreszeiten am stärksten ausgeprägt ist. In diesem Zeitraum kommt es auf Grund hoher Temperaturunterschiede zwischen Nord und Süd zu einem verstärkten Luftmassenaustausch, wodurch heiße Wüstenluft weit nach Norden transportiert werden kann. Ausgangslage für einen solchen Luftmassenaustausch kann beispielsweise der Vorstoß kalter Luftmassen über dem Westatlantik sein, die die Entstehung eines eigenständigen Tiefdruckgebiets über der westlichen Sahara zur Folge haben. Dabei führt der "Schirokko" neben warmen bis heißen Luftmassen zudem oftmals eine hohe Menge an feinem Sand und Staub mit sich, der auch in Deutschland dafür sorgen kann, dass Autos mit einer leichten Schicht aus Saharastaub bedeckt werden. Andererseits kann er auf seinem Weg über das Mittelmeer auch sehr viel Feuchtigkeit aufnehmen, in Folge dessen es zu Starkniederschlägen entlang von Gebirgsketten, wie beispielsweise den Cevennen in Frankreich oder der Serra de Tramuntana auf Mallorca kommen kann.
Ein ähnliches Windsystem stellt der sogenannte "Leveche" dar. Durch die Zufuhr heißer Luftmassen aus der westlichen Sahara, die sich nach Überströmen des Atlasgebirges noch weiter erhitzen, entsteht ein heißer Wüstenwind, der insbesondere dem Süden Spaniens hohe Temperaturen beschert und ebenfalls viel Saharastaub mit im Gepäck haben kann.
Die "Bora" und der "Mistral" sind im Gegensatz zum "Schirokko" und "Leveche" kalte Winde, die vor allem während der Wintermonate auftreten und zu markanten Kaltlufteinbrüchen führen können. Während die Bora entlang der kroatischen Küste auftritt, ist der "Mistral" ein charakteristischer Wind Südfrankreichs. Kommt es während der Wintermonate zu einer Verschiebung eines über Frankreich liegenden Hochs in östlicher Richtung bei gleichzeitigen Auftreten eines Tiefs über dem Golf von Genua, hat dies den Effekt, dass sich Winde entwickeln, die durch das von Nord nach Süd verlaufende Rhônetal, in Richtung französischer Mittelmeerküste wehen. Durch den "Düseneffekt" des Rhônetals kann dieser Wind oftmals Sturm- bis Orkanstärke mit Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 135 km/h erreichen. Nicht zuletzt zeigt sich diese Naturgewalt sehr deutlich an Hand der oft in Windrichtung gewachsenen Bäume. Die "Bora" entsteht dagegen, wenn hoher Luftdruck über dem Balkan zeitgleich tiefem Luftdruck südlich der Alpen gegenübersteht. Dabei können die kalten Winde bis an die Meeresküste vorstoßen, wo sie sich auf Grund des geringen Höhenunterschieds zur Küste hin kaum erwärmen.
Ein Wind, der vielen Urlaubern aus ihren Ferien am Gardasee bekannt sein dürfte, ist die "Ora". Dieser ist ein von Süden kommender Talwind (siehe Thema des Tages vom 19.07.2015), und zeigt sich im Bereich des Gardasees für die besonders guten Segel- und Windsurfbedingungen verantwortlich. Ursächlich für die Entstehung der "Ora" ist die bei Sonneneinstrahlung stärkere Erwärmung der Luft im umliegenden Gebirge. Diese warmen Luftmassen beginnen aufzusteigen, was dazu führt, dass aus der Ebene neue Luft durch das Tal in das Gebirge nachströmt. Dieser Prozess setzt dabei meist kurze Zeit nach Sonnenaufgang ein und ebbt erst kurz nach Sonnenuntergang wieder ab, sodass die "Ora" zuweilen den ganzen Tag über zu verzeichnen ist. Ein weiterer Wind, der für die Surfer und Segler unter den Urlaubern von Bedeutung sein dürfte, ist der "Levante". Er ist ein von Ost nach West wehender Wind an der Straße von Gibraltar. Da er mitunter besonders stark sein kann, macht er die Meerenge zwischen Spanien und Marokko zu einem der besten Windsurfreviere der Welt. Sein Gegenstück, der "Poniente", ist dagegen ein von West nach Ost wehender Wind, der zunächst über dem Atlantik noch als mäßig warmer, später jedoch nach Überqueren des spanischen Festlandes, als heißer Wind an den Mittelmeerküsten zu spüren ist.
Im östlichen Mittelmeerraum findet man dann noch die sogenannten "Etesien" (türkischen Ursprungs) oder auch "Meltemi" (griechischen Ursprungs). Dabei handelt es sich um nördliche Winde, die überwiegend in den Sommermonaten in der Ägäis wehen und als relativ kühl empfunden werden. Mitursächlich für das jährliche wiederkehrende Strömungsverhalten sind die quasistationären Luftdruckgebilde des Azorenhochs und dem Tiefdruckgebiet des Sommermonsuns über Südwestasien.
Man sieht also, dass das Mittelmeer mehr als (warme) Temperaturen und viel Sonnenschein zu bieten hat und sich je nach Reisezeit auch ein Blick auf die Windkarte lohnen kann.
Praktikant Marc Senzig mit Dipl.-Met. Lars Kirchhübel Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.08.2016
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