Der Jahresverlauf der Witterung in Mitteleuropa besteht aus einer Folge typischer Wettersituationen, den "Großwetterlagen". Diese ergeben sich aus weiträumigen Luftdruckverteilungen und den daraus resultierenden Strömungsmustern in Bodennähe, sowie auch in den darüber liegenden Luftschichten.
Das Wetter selbst wird außerdem durch die Eigenschaften der in die Zirkulation einbezogenen Luftmassen dominiert. Es kann während der Andauer einer Großwetterlage an einzelnen Orten innerhalb des betrachteten Gebietes durchaus wechseln, der allgemeine Witterungscharakter bleibt jedoch erhalten.
Die meteorologische Teildisziplin, die sich u. a. mit den Großwetterlagen befasst, nennt sich "synoptische Klimatologie". Nach deren Regeln muss eine Wettersituation in Mitteleuropa mindestens drei Tage andauern, um als eigenständige Großwetterlage betrachtet werden zu können. Die Klassifizierung von Großwetterlagen ermöglicht eine systematische qualitative Beschreibung des Ablaufes von Wetter, Witterung und Klima.
Derzeit dominiert hoher Luftdruck über dem größten Teil Europas, eine Hochdruckzelle namens NIKOLAUS erstreckt sich am heutigen Freitag von der Biskaya bis zum Balkan. Lediglich das nördliche Mitteleuropa wird von einer ersten schwachen Kaltfront eines Islandtiefs überquert.
Am morgigen Sonnabend ist die Kaltfront abgezogen. Aber auch NIKOLAUS schrumpft deutlich und verlagert seinen Schwerpunkt nach Ost- und Südosteuropa, wird uns aber dennoch einen vielerorts sonnigen Tag bescheren. Schließlich schwindet der Hochdruckeinfluss am Sonntag und Mitteleuropa befindet sich dann auf der Vorderseite eines atlantischen Tiefausläufers.
Der mutmaßliche Wechsel zu unbeständigeren, westlichen Wetterlagen steht nun zwar unmittelbar bevor, jedoch wird zuvor aus südlichen Richtungen nochmals ein Schwall recht warmer Mittelmeerluft nach Deutschland geführt. Mithilfe einer noch kräftigen Septembersonne können wir zumindest im Westen und Südwesten unseres Landes einen letzten "klimatologischen Sommertag" (Höchsttemperatur mindestens 25 °C) in diesem Jahr genießen.
Vom synoptisch-klimatologischen Standpunkt bietet sich in diesen Tagen die Charakterisierung der Großwetterlage "Hoch Mitteleuropa" (wissenschaftliche Abkürzung HM) an. "Hoch Mitteleuropa" zählt zu den gemischten Zirkulationsformen, d.h. die zonale, also in West-Ost-Richtung verlaufende Strömungskomponente über dem Kontinent und der in Nord-Süd-Richtung orientierte, meridionale Anteil, halten sich die Waage.
"Hoch Mitteleuropa" ist typisch für unser Klima und tritt im September im langjährigen Mittel mit gut 12% aller Fälle überdurchschnittlich häufig auf. Da atmosphärische Erwärmungs- und Abkühlungsprozesse bei ruhigen, beständigen Wetterlagen besonders intensiv sind, sind sommerliche Hitze- und winterliche Kältewellen oftmals mit dieser Großwetterlage verbunden.
Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.09.2016
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