Ist es Ihnen beim Wandern im Winter über ein schneebedecktes Feld und bei tiefhängenden Wolken schon einmal passiert, dass sich Ihre gesamte Umgebung kurzzeitig in ein einziges Weiß-Grau hüllte und Sie die Orientierung verloren? Bald tauchte dann eine Hütte oder ein Baum am Horizont auf und Sie hatten wieder ein Ziel vor Augen.
Das Phänomen der Kontrastverringerung und das Verschwinden des Horizonts aufgrund von hellem Licht durch Reflexion zwischen einer schneebedeckten Oberfläche und bspw. einer Wolkendecke wird "Whiteout" genannt. Durch diese Erscheinung wird u.a. das Orientierungsvermögen stark beeinträchtigt, obwohl die Sicht unter Umständen gut ist. Eine Fahnenstange, eine Hütte oder ein Baum können sich nur wenige Meter von Ihnen entfernt befinden, alles herum erscheint jedoch in einem gänzlich einheitlichem weiß-grauen Licht und Sie können die Entfernung zu diesem Objekt nicht abschätzen. Zugegeben, dieser Fall tritt im deutschen Flachland und im Mittelgebirge sehr selten auf. Aber sollten Sie sich in polaren Gebieten sowie auf verschneiten Bergen befinden, bietet es sich an, von diesem Phänomen gehört zu haben.
Die Voraussetzungen für einen Whiteout-Effekt (zu Deutsch: Weißblendung) sind vielfältig. Zum einen muss eine schnee- oder eisbedeckte Oberfläche vorhanden sein (bspw. in polaren Gebieten), zum anderen ein vollständig bedeckter Himmel, fester Niederschlag oder aufgewirbelter Schnee. Demzufolge werden die Effekte unterteilt in Bewölkungs-, Niederschlags- und Blowing-Snow-Whiteout (blowing snow: engl. für Schneedrift).
Der durch den Schnee sehr helle Boden besitzt eine hohe Albedo. Sie ist ein Maß dafür, wie viel der auftreffenden Strahlung von einer Oberfläche reflektiert und nicht aufgenommen wird (siehe "Albedo" unter www.dwd.de/lexikon). Im Fall von Schnee werden bis zu 95% der einfallenden, sichtbaren Sonnenstrahlung zurückgeworfen. Diese Strahlung wird wiederum von der Wolkendecke reflektiert, die ebenfalls eine hohe Albedo besitzt. Bei einem Whiteout wiederholt sich dieser Vorgang permanent. Das eigentliche Problem dabei ist, dass die Strahlung in alle Richtungen gestreut wird (Fachwort: diffuse Strahlung). Dies liegt u.a. an der Oberflächenbeschaffenheit des Bodens, da dieser durch die Schnee- und Eiskristalle rau und unregelmäßig ist. Ebenso ist die Wolkendecke nicht glatt. Die resultierende Strahlung ist extrem hell; und das in jede Richtung in der man sich umschaut. Es ist kein Ort zu erkennen von dem die Lichtquelle ausgeht. Da es überall gleich weiß ist, ist auch kein Übergang zwischen Boden und Horizont sichtbar. Erschwerend können, wie oben beschrieben, Schneeverwehungen oder Niederschlag sowie Nebel hinzukommen. Während man sich vor Schneeblindheit (hervorgerufen durch UV-Strahlung) noch mit einer Sonnenbrille schützen kann, rettet einen diese auch nicht vor einer fehlenden Orientierung und der Problematik Entfernungen/Konturen nicht mehr abschätzen zu können. Es droht mitunter sogar der Verlust des Gleichgewichtssinns. Unter www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2016/10/24.html sehen Sie zwei Beispiele, wie bei bedecktem Himmel der Horizont verschwindet und sich die Kontraste verringern. Das untere Bild zeigt Whiteout auf dem Ekström-Schelfeis in der Antarktis.
Besonders gefährlich ist dieses Phänomen in der Fliegerei. Wenn sich der Boden nicht mehr vom Horizont abhebt, kann auch ein Helikopterpilot, der nach Sicht fliegt, die Orientierung verlieren und nicht einschätzen, wo oben und unten ist. Ebenso kann ein Whiteout für Wintersportler problematisch werden, da mögliche Abhänge oder Klippen schlicht nicht sichtbar sind.
Wenn Sie in die Situation eines Whiteouts kommen sollten, ist äußerste Vorsicht geboten. Es wird empfohlen, sich nur in Gruppen aufzuhalten und falls möglich an Zäunen oder Gegenständen in kurzer Entfernung entlang zu hangeln.
Stud. Met. Tim Usedly, Dipl.-Met. Julia Fruntke
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.10.2016
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