Einige speziell ausgebildete Meteorologen sowie Wetterfunktechniker des DWD haben die Möglichkeit auf den Forschungsschiffen (FS) POLARSTERN und METEOR Ihren Dienst zu leisten. Beide Schiffe sind unter anderem auch in den polaren Gebieten unterwegs. FS POLARSTERN fährt regelmäßig im nordhemisphärischen Sommer in die Arktis und im Winterhalbjahr, wenn auf der Südhalbkugel Sommer ist, in die Antarktis. Auf ihrem Weg durch die eisigen Welten passiert die POLARSTERN immer wieder prachtvolle Eisberge. Dabei fällt auf, dass sich diese in der Arktis von jenen in der Antarktis in ihrer Form unterscheiden.
Die Eisberge in der Arktis entstehen, wenn Gletscher kalben, wenn also große Eisbrocken von Gletschern abbrechen. Sie sind als Gipfeleisberge bekannt (siehe Bild 1 unter
http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2016/10/27.html). Im Gegensatz dazu werden die für die Antarktis typischen Tafeleisberge beim Abbrechen eines Stücks der Schelfeiskante geboren. Sie sind eher breit als hoch und weisen eine relativ glatte Fläche wie eine Tafel auf (siehe Bild 2). Der größte jemals in der Antarktis registrierte Eisberg hatte den "wunderschönen" Namen B-15, war 295 Kilometer lang und 37 Kilometer breit - etwa so groß wie Jamaika. Später mehr dazu.
Die große Gefahr, die von Eisbergen ausgeht, liegt unter der Wasserlinie. Nur 10-15% des gesamten Eiskörpers ragen aus dem Wasser heraus. Die übrigen sieben Achtel befinden sich im Wasser und sind kaum zu sehen. Ein mittelgroßer arktischer Eisberg, der etwa 20 Meter aus dem Wasser ragt, hält unter Wasser noch einmal 140 Meter Eis versteckt. Gleichermaßen bedrohlich für die Schifffahrt sind die weniger als 5 Meter großen Eisbrocken, die im Englischen "growler" genannt werden (siehe Bild 3). Sie sind vor allem bei Seegang schwer im Wasser auszumachen und auch mit dem Schiffsradar kaum zu erkennen.
Fast 90% der arktischen Eisberge werden vor Westgrönland geboren. Die anderen entstehen aus den Gletschern Spitzbergens, Franz-Josef-Lands, Nowaja Semljas oder Nordkanadas. Ist ein Eisberg geboren, geht er mit der Ozeanströmung auf Wanderschaft. Die westgrönländischen Eisberge driften mehrheitlich einmal quer durch die Baffin-Bucht, bevor sie an Kanada vorbei nach Süden wandern, vom kalten Labradorstrom erfasst bis nach Neufundland gelangen und dort auf den warmen Golfstrom treffen. Sogleich attackiert die warme Umgebung den Eisberg von allen Seiten. Durch die milde Luft schmelzen Schnee und Eis auf der Oberfläche zu Schmelztümpeln. Die Lache rinnt dann durch den Eisberg und vergrößert vorhandene Spalten. Gleichzeitig schlägt das warme Wasser, das den Eisberg umgibt, an dessen äußere Schicht. Dadurch wird er porös und es können größere Teile abbrechen. Zudem schmilzt der Eisberg von unten ebenfalls durch das warme Wasser in der Umgebung. Sind die Bedingungen nicht allzu schlecht, kann ein arktischer Eisberg mitunter aber auch die Azoren erreichen.
Die Tafeleisberge hingegen sind im kalten Wasser um den antarktischen Kontinent herum anzutreffen. Der rekordverdächtige massive Tafeleisberg B-15 kalbte im Jahr 2000, trieb einige Jahre entlang der Küste der Antarktis und brachte das Ökosystem dort gehörig durcheinander. Er störte die übliche Zirkulation des Meereises im McMurdo-Sund (Bucht im antarktischen Rossmeer), rammte und zerstörte die Spitze einer Gletscherzunge, die in den McMurdo-Sund mündet und behinderte zudem die Reiserouten der ansässigen Adelie-Pinguine. 2005 zersplitterte der Eisberg in kleine Teile, die sich langsam nordwärts bewegten. Unglaublich, aber wahr: Im Dezember 2011 wurden noch Reste des riesigen Eisbergs vor Australien und Neuseeland im Wasser entdeckt.
Wie aber lassen sich die Eisberge über Jahre hinweg verfolgen? Nach dem Unglück der RMS Titanic am 15. April 1912 wurde zwei Jahre später die Internationale Eispatrouille (IIP; engl. International Ice Patrol) gegründet, eine Gesellschaft zur Überwachung von Eisbergen im Nordatlantik. Geleitet wird die IIP von der US-amerikanischen Küstenwache. Zu den beteiligten Staaten gehört auch Deutschland. Kontrolliert wird die Verlagerung der Eisberge, vor allem jener, die in die Reiserouten der Schiffe gelangen, in der heutigen Zeit per Flugzeug und Radarsatelliten. Diese Daten werden auch vom DWD weiterverarbeitet. Unter anderem wird die Bodenwetterkarte des DWD samt Eisberggrenze vor Neufundland 2-mal täglich vom Seewetteramt in Hamburg aus den Seefahrern zur Verfügung gestellt. Auch in der Antarktis werden Satellitendaten ausgewertet, um Eisberge auszumachen und ihre Wanderschaft zu verfolgen. Jedoch werden nur Eisberge erkannt, die größer als 500 Quadratmeter sind.
Dipl.-Met. Julia Fruntke
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.10.2016
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst