In der ersten Hälfte des diesjährigen Novembers sorgte die Zufuhr kalter Luftmassen aus dem Norden und Nordosten Europas zumindest zeitweise in Deutschland für einen frühwinterlichen Charakter, teils mit Schneefall und Glätte bis in tiefe Lagen. Mittlerweile haben wieder atlantische Tiefdruckgebiete die Regie des Wetters übernommen und damit einen deutlich milderen, aber mitunter stürmischen Witterungsabschnitt eingeleitet.
So erstreckt sich seit vergangenem Dienstag ein umfangreicher Tiefdruckkomplex über den Norden und Nordwesten Europas, mit Schwerpunkt meist über dem Seegebiet zwischen Island und Norwegen. Dabei reicht der Einfluss des Tiefs etwa vom Europäischen Nordmeer bis zu den Alpen. Deutschland befindet sich somit an der Südflanke des Tiefs. Da Tiefdruckgebiete auf der Nordhalbkugel entgegen dem Uhrzeigersinn umströmt werden, gelangt mit einer westlichen bis südwestlichen Strömung relativ milde Meeresluft zu uns.
Am Rande dieses Tiefkomplexes entwickelte sich am vergangenen Donnerstag über Großbritannien ein sogenanntes Randtief mit dem Namen "Mirja", das unter Intensivierung am gestrigen Freitag über die Nordsee hinweg Richtung Südnorwegen zog. Dadurch verschärfte sich der Luftdruckgegensatz zwischen dem Tief über der Nordsee (Kerndruck 980 hPa) und einem Hoch über dem Mittelmeerraum und Osteuropa (Luftdruck etwa 1020 hPa), was hierzulande mit deutlich auffrischendem Wind einherging, der zunächst vor allem im Bergland zu spüren war. Mit Passage der Kaltfront von Tief "Mirja" kam es dann teilweise bis in tiefe Lagen zu Sturmböen, örtlich sogar zu schweren Sturmböen oder orkanartigen Böen. So meldete beispielsweise die Station Geilenkirchen in Nordrhein-Westfalen in den Frühstunden eine Böe von 112 km/h (Bft 11). In Werl (NRW) wurden wenig später 94 km/h (Bft 10) gemessen, ebenso kräftig war der Wind am späten Vormittag im sächsischen Chemnitz.
Tief "Mirja" wird heute Richtung Nordmeer abziehen und somit den Einfluss auf unser Wetter verlieren. Allerdings entwickelt sich derzeit über dem Nordatlantik ein weiteres Sturmtief, das den Namen "Nannette" trägt. Dieses Tief wird in der kommenden Nacht zum Sonntag die Südwestspitze Englands erreichen und bis Sonntagmittag über den Süden Englands hinweg Richtung Nordsee ziehen. Dabei weist es einen Kerndruck von 975 hPa auf.
So treten in der kommenden Nacht erste Sturmböen im Bereich des Ärmelkanals auf, bevor das Sturmfeld am Sonntagvormittag auch auf Deutschland übergreift. Aufgrund der Zugbahn des Tiefs wird der kräftige Wind dann vor allem im Westen und Nordwesten Deutschlands auftreten, sodass vor allem von der Mosel über Nordrhein-Westfalen hinweg bis zur Nordsee zeitweise mit starken bis stürmischen Böen (Bft 7 bis 8), vereinzelt auch mit Sturmböen (Bft 9) gerechnet werden muss. In den Gipfellagen der westlichen Mittelgebirge und auf den nordfriesischen Inseln sind teils schwere Sturmböen (Bft 10), auf dem Brocken sogar Orkanböen (Bft 12) aus südlichen Richtungen zu erwarten. Im Osten und Süden Deutschlands wird hingegen aufgrund der Entfernung zu Tief "Nannette" kaum eine Windzunahme zu spüren sein. Ausnahme ist der Alpenraum, denn zwischen hohem Luftdruck über Italien und dem tieferen Luftdruck auf der Nordseite der Alpen stellt sich morgen ein kräftiger Südföhn ein. Dabei treten in den Gipfellagen Böen bis hin zur Orkanstärke auf. Bei Föhndurchbruch sind auch in den Föhntälern der Alpennordseite starke bis stürmische Böen möglich.
In der Nacht zum Montag wird Tief "Nannette" weiter nordostwärts Richtung Skandinavien abziehen, sodass der Wind im Laufe der Nacht wieder deutlich nachlässt. Nach Abzug von Tief "Nannette" geht es in der neuen Woche deutlich ruhiger weiter.
Dipl.-Met. Johanna Anger
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 19.11.2016
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst