Während sich Meeresluftmassen, die mit Tiefausläufern nach Mitteleuropa gelangen, im Winter mildernd auf das Temperaturregime auswirken, und uns in Deutschland auch in diesem Jahr bislang vor allzu negativen Temperaturexzessen bewahrten, treten die Extrema auf der Erde stets hochdruckbeeinflusst in wetterberuhigten Arealen auf, wo der lokale Strahlungs- und Energiehaushalt gegenüber advektiven Einflüssen dominiert.
Das trifft im Falle der Tiefsttemperaturen des nordhemisphärischen Winters vor allem auf die Regionen hoch im Norden und/oder tief im Inneren Asiens zu. So verwundert es niemanden, dass derzeit Sibirien die kälteste Region der Erde ist. Allerdings führt in diesen Tagen nicht etwa die im Ostsibirischen Bergland gelegene, legendäre Station Oimjakon - in Fachkreisen als "Kältepol der bewohnten Welt" bekannt - die Froststatistik an. Vielmehr liegen die Minima derzeit weiter westlich, und zwar im Bereich der Mitteljakutischen Niederung bzw. im Einzugsgebiet des sibirischen Flusses Lena.
Spitzenreiter bei den nächtlichen Tiefsttemperaturen bis Donnerstagfrüh, 08.12.2016, 00:00 Uhr UTC (10:00 Uhr Ortszeit), ist die Station Kjusjur am Unterlauf der Lena (70°38'N, 127°31'E, 30 m Höhe) mit -51,1 °C. Darüber hinaus wurden in der Gegend vielerorts Minima nahe -50 °C beobachtet. Bis zum heutigen Freitag bildete sich über der Laptewsee (Randmeer des Arktischen Ozeans an der Nordküste Russlands zwischen Sewernaja Semlja und den Neusibirischen Inseln) ein Tiefdruckgebiet. Die damit verbundene Bewölkung, Luftbewegung sowie Durchmischung der unteren Troposphäre sorgten indessen dafür, dass diese bisher tiefsten Werte dieses Winters in der vergangenen Nacht nicht erreicht worden. Dennoch muss man im weiteren Verlaufe der kalten Jahreszeit damit rechnen, dass die Temperatur dort noch bis ca. -55 °C sinkt.
Neben ihren geografischen Positionen - quasi am Polarkreis (66,57°N) oder weiter nördlich und im Winter mit wenig Sonnenschein, sowie weit genug entfernt vom Einfluss der atlantischen Westwinddrift - liegen diese kalten Stationen häufig in Tälern oder Hochtälern, so dass außerdem die Möglichkeit zur Bildung von Kaltluftseen besteht. Meteorologische Hauptursache für derartige Extrema sind Hochdruckgebiete in der arktischen Luftmasse, die eine geringe vertikale Mächtigkeit besitzen und in der höheren Atmosphäre von tiefem Luftdruck überlagert sind. Die zur Ruhe gekommene Polarluft wird durch strahlungsbedingte Auskühlung der bodennahen Luftschichten, insbesondere bei klarem Nachthimmel über Schneeflächen (derzeit Schneehöhen von 40 bis 50 cm), immer kälter und wirkt schließlich klimabildend.
Die Karte unten
(http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2016/12/09.html) zeigt etwa den Sektor von 75 °N bis 55 °N und von 100 °E bis 150 °E, mit den nächtlichen Tiefsttemperaturen in ganzen [°C] sowie den Isobaren des auf Meeresniveau reduzierten Luftdruckes der Modellanalyse des GFS vom 08.12.2016, 00:00 Uhr UTC (10:00 Uhr Ortszeit). Zwischen den 1020-hPa-Isobaren erstreckt sich quasi meridional eine schmale Hochdruckbrücke.
Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 09.12.2016
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst