Während sich die Gedanken der meisten Flachlandbewohner angesichts der milden Temperaturen schon zunehmend um den Frühling drehen, kommen eingefleischte Wintersportler in den Alpen auch im Spätwinter und im Frühjahr noch voll auf ihre Kosten. Die schon deutlich längeren Tage, die im Durchschnitt höheren Temperaturen und die guten Pistenverhältnisse lassen das Herz eines jeden Wintersportlers noch einmal höher schlagen. Wird allerdings bei der Ausübung des Sports der gesicherte Skiraum verlassen, muss unbedingt die aktuelle Lawinensituation beachtet werden.
Daher ist es praktisch und hilfreich, dass seit diesem Winter in der WarnWetter-App des Deutschen Wetterdienstes nicht nur die hauseigenen Wetter- und Unwetterwarnungen ersichtlich sind, sondern auch Hinweise auf weitere Naturgefahren von unseren Partnern zur Verfügung gestellt werden. Dazu zählt neben den Sturmflutwarnungen und Hochwasserinformationen auch die Einschätzung der Lawinengefahr im bayerischen Alpenraum. Diese wird von der Lawinenwarnzentrale Bayern im Bayerischen Landesamt für Umwelt während der Wintersaison täglich aktualisiert um 07:30 Uhr zur Verfügung gestellt.
Den Nutzern stehen dabei zwei unterschiedliche Informationsarten zur Verfügung. Zum einen wird die Lawinengefahr auf einer Skala von 1 bis 5 eingeschätzt (sog. Lawinengefahrenstufen), zum anderen kann ein ausführlicher Lawinenlagebericht zum Selbststudium verwendet werden. In diesem Beitrag wird primär die Lawinengefahrenskala behandelt, für ein umfassendes Verständnis der Lawinensituation sollten aber immer beide Informationsarten genutzt werden.
Im Jahre 1993 einigten sich mehrere Lawinenwarndienste Europas darauf, den zuvor bestandenen Wildwuchs an Lawinengefahrenskalen zu beenden und die Lawinengefahr fortan einheitlich in fünf Stufen anzugeben. Diese europäische Lawinengefahrenskala beginnt seitdem bei der Stufe 1 (geringe Gefahr) und endet bei Stufe 5 (sehr große Gefahr). Mäßige Gefahr wird mit der Stufe 2 klassifiziert, erhebliche Gefahr mit der Stufe 3. Ist die Stufe 4 aktiv, muss mit großer Gefahr gerechnet werden. Jene, die mit unseren Wetterwarnungen vertraut sind, werden die zufällige Ähnlichkeit mit dem Warnsystem des Deutschen Wetterdienstes erkennen. Mit Ausnahme der geringen Gefahr findet jede Gefahrenstufe eine Äquivalenz in unserem 4-stufigen Warnmanagement (inklusive der Farbskala). Die rot eingefärbte große Lawinengefahr würde beispielweise unserer roten Unwetterwarnung entsprechen.
Die Festlegung der Lawinengefahrenstufen erfolgt natürlich nicht willkürlich oder nach persönlichem Gutdünken des Prognostikers, sondern ist an maßgebliche Kriterien gebunden. Zum einen fließt die Schneedeckenstabilität, zum anderen die
Lawinenauslösewahrscheinlichkeit und der Umfang der Gefahrenstellen ein. Zudem wird auch die Zusatzbelastung berücksichtigt, die zur Lawinenauslösung führen kann. Bei der Stufe 2 ist die Schneedecke an einigen Steilhängen nur mäßig, sonst allgemein gut verfestigt. Lawinenauslösungen sind insbesondere bei großer Zusatzbelastung (z.B. zwei oder mehrere Skifahrer) vor allem in den als gefährlich angegeben Steilhängen möglich, große spontane Lawinen sind nicht zu erwarten. Bei Stufe 4 ist die Schneedecke hingegen an den meisten Steilhängen schwach verfestigt und die Lawinenauslösung ist bereits bei geringer Zusatzbelastung (z.B. ein einzelner Skifahrer) an zahlreichen Steilhängen wahrscheinlich. Fallweise sind spontan (d.h. ohne äußere Einwirkung) viele mittlere, mehrfach auch große Lawinen zu erwarten (Quelle: avalanches.org). Besonders bei den Stufen 4 und 5 steigt die Gefahr meist auch für exponierte Verkehrswege und es muss mit temporären Straßensperrungen gerechnet werden.
Die Lawinengefahrenstufen werden zudem regional differenziert ausgegeben. Dazu teilte der Lawinenwarndienst Bayern die bayerischen Alpengebiete in sechs verschiedene Regionen ein, die jeweils topographisch, klimatologisch und hinsichtlich der Schneedecke meist ähnliche Eigenschaften vorweisen. Ganz im Westen beginnt es mit der Region der Allgäuer Alpen und endet im Osten bei den Berchtesgadener Alpen. Da die Lawinengefahr nicht über alle Höhenstufen gleich verteilt ist, können für eine Region je nach Höhenlage auch zwei Gefahrenstufen gelten.
Im ebenfalls verfügbaren Lawinenlagebericht sind zudem noch wertvolle Zusatzinformationen vorhanden. Darin werden die Lawinengefahr ausführlich beschrieben und der Aufbau der Schneedecke genau analysiert. Die Tendenz der Lawinengefahr und die weitere Wetterentwicklung findet man am Ende des Berichts. Heute ist die Lawinengefahr in allen sechs Regionen über alle Höhenstufen gering. Unter Berücksichtigung der Eigenverantwortung steht dem Wintervergnügen abseits der Pisten also nichts im Wege.
Mag. rer. nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.02.2017
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