Frühling im Kalender

Am morgigen Montag, den 20. März 2017, um 11:29 Uhr Mitteleuropäischer Zeit (MEZ), überquert die Sonne auf ihrer scheinbaren Bahn durch den "Tierkreis" (wissenschaftlich "Ekliptik" genannt) den Himmelsäquator in nördlicher Richtung. Auf der Nordhalbkugel markiert dies den astronomischen oder kalendarischen Frühlingsbeginn, auf der Südhemisphäre beginnt nun der Herbst. Die Sonne steht am 20. März mittags erstmals in diesem Jahr über dem Äquator im Zenit, und zwar bei 22°30´ östlicher Länge, also über dem Kongo-Becken in Zentralafrika. Sie befindet sich um 11:29 Uhr MEZ an einem der beiden Schnittpunkte zwischen Ekliptik und Himmelsäquator, dem "Frühlingspunkt".

Der Frühlingspunkt wird auch "Widderpunkt" genannt, denn bei der Festlegung und Aufteilung des Tierkreises in zwölf Winkelabschnitte zu jeweils 30°, das war im 5. Jahrhundert v. Chr., lag er im Sternbild Widder (lat. Aries). Heutzutage allerdings stimmen die Tierkreiszeichen nicht mehr mit den gleichnamigen Sternbildern überein und der Frühlingspunkt befindet sich im Sternbild der Fische (lat. Pisces). Ursache für die "Wanderung des Frühlingspunktes" ist die "Präzession der Erde", eine durch äußere (himmelmechanische) Kräfte hervorgerufene Lageveränderung ihrer Rotationsachse. Dieser "Kreiseleffekt" bewirkt ein Zurückweichen des Frühlingspunktes von Ost nach West um ca. 50 Winkelsekunden pro Jahr, was seit der Antike einer Drehung im Uhrzeigersinn von gut 30 Winkelgraden entspricht.

Am Frühlingsanfang geht die Sonne näherungsweise überall auf der Erde im Osten um 06:00 Uhr wahrer Ortszeit (WOZ) auf und im Westen um 18:00 Uhr unter. Betrachtet man unter Berücksichtigung des konkreten Unterschiedes zwischen WOZ und MEZ jedoch die Auf- und Untergangszeiten der Sonne für einen bestimmten Ort, zu finden z.B. im Internet bei www.sonnenverlauf.de oder in guten Kalenderwerken, so stellt man fest, dass der lichte Tag morgen schon etwas länger als die Nacht ist. Woran liegt das?

Zunächst einmal werden hier zwei verschiedene "Zeitgrößen", und zwar der Zeitpunkt des Frühlingsbeginns mit der Zeitspanne des Ereignistages bzw. der Nacht in einen Zusammenhang gebracht. Weitere himmelsmechanische Tatsachen, deren Erörterung an dieser Stelle zu weit führen würde, bewirken ein Abweichen von geometrischen Idealformen. Außerdem wird zur Definition des Frühlingsbeginns der Mittelpunkt der Sonne verwendet, beim Sonnenauf- und Sonnenuntergang über dem Horizont aber zählt die Sonnenoberkante. Die Brechung des Sonnenlichtes an den unteren Atmosphärenschichten, die eine scheinbare Anhebung der Sonnenscheibe bewirkt, verstärkt diesen Effekt noch. So fand die eigentliche Tagundnachtgleiche (lat. Äquinoktium) in diesem Jahr bereits am 17. oder 18. März statt!

Unter http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2017/03/19.html finden Sie Grafiken zur Erläuterung der himmelsmechanischen Zusammenhänge. In der sphärischen Astronomie abstrahiert man von den tatsächlichen Gegebenheiten derart, dass man die Himmelskugel als Sphäre mit beliebig großem oder unendlichem Radius annimmt. So wie ein beliebiger Ort auf der Erde durch zwei Winkel, nämlich seine geographischen Koordinaten Länge und Breite, genau angegeben werden kann, ist dies auch für Positionen auf der scheinbaren Himmelskugel möglich. Alle Distanzen werden so als Winkel betrachtet und in Grad oder Bogenmaß gemessen, mathematische Grundlage ist die sphärische Trigonometrie. Dabei ist es egal, ob sich die Erde um die Sonne dreht oder umgekehrt, wichtig sind nur die Relativbewegungen zwischen Zentralgestirn und Planet.

Das obere Bild ist eine vereinfachte "geozentrische" Darstellung von Ekliptik und Himmelsäquator, die um ca. 23°27´ gegeneinander geneigt sind ("Schiefe der Ekliptik"). Die Schnittpunkte (Frühlings- und Herbstpunkt) stehen orthogonal zu der zum Himmelsnordpol gerichteten Rotationsachse der Erde. Darunter sieht man eine vereinfachte "heliozentrische" Darstellung der Bahn der Erde bei ihrer "Revolution" genannten, entgegen dem Uhrzeigersinn gerichteten Bewegung um die Sonne im Verlaufe eines Jahres. Die daraus für die Erdoberfläche resultierenden Beleuchtungsverhältnisse bestimmen letztendlich die Jahreszeiten.

Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 19.03.2017

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