"Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden, belebenden Blick. Im Tale grünet Hoffnungsglück. Der alte Winter, in seiner Schwäche, zog sich in rauhe Berge zurück. Von dort her sendet er, fliehend, nur ohnmächtige Schauer körnigen Eises in Streifen über die grünende Flur. Aber die Sonne duldet kein Weißes. Überall regt sich Bildung und Streben, alles will sie mit Farbe beleben. Doch an Blumen fehlts im Revier. Sie nimmt geputzte Menschen dafür. Kehre dich um, von diesen Höhen nach der Stadt zurück zu sehen! Aus dem hohlen finstern Tor dringt ein buntes Gewimmel hervor. Jeder sonnt sich heute so gern. Sie feiern die Auferstehung des Herrn, denn sie sind selber auferstanden. Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, aus Handwerks- und Gewerbesbanden, aus dem Druck von Giebeln und Dächern, aus der Straßen quetschender Enge, aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht sind sie alle ans Licht gebracht ... " (Johann Wolfgang von Goethe, Faust I)
Schon der alte Goethe interessierte sich damals für die Meteorologie. In manchen seiner Werke nutzte er die exakten naturwissenschaftlichen Beschreibungen seiner Zeit und gibt diese in poetischer Form wieder. So beschreibt er im "Osterspaziergang" in "Faust I" das typische Wetter zu Ostern. Geschildert ist das Wettergeschehen bei einer Nord- oder Nordwestwetterlage im Frühjahr. Bei einer derartigen Wetterlage gelangt auf der Rückseite eines Tiefdruckgebietes, dessen Kern meist über dem östlichen Mitteleuropa liegt, hochreichende Kaltluft polaren Ursprungs nach Deutschland. In dieser bilden sich dann zahlreiche Schauer, die in der kalten Luft Anfang oder Mitte April zumeist noch als Schnee oder Graupel fallen. Zwischen den Schauern zeigt sich aber auch häufiger die Sonne. Durch den bereits hohen Sonnenstand kann sich daher in tiefen Lagen keine dauerhafte Schneedecke mehr halten. Nur in den Bergen ist es ausreichend kalt, sodass sich dorthin der Winter "zurückziehen" kann. Dazu muss man aber wissen, dass Goethe gegen Ende der "Kleinen Eiszeit" lebte. Dies war eine relativ kühle Klimaperiode, die von Anfang des 15. bis in das 19. Jahrhundert hinein reichte. Damals war die globale Durchschnittstemperatur etwa 1 Grad kälter als heute. Kühle Witterungsphasen im Frühjahr kamen demnach zu Goethes Zeiten entsprechend häufig vor.
Auch in diesem Jahr erwartet uns typisches "Osterspaziergangswetter" wie in Goethes "Faust". Mehrere Kaltluftstaffeln überqueren Deutschland. Der beste Tag wird der Karfreitag. Da kann sich zumindest im Süden bei noch milden 14 bis 17 Grad länger die Sonne zeigen. Am Karsamstag und Ostersonntag erwartet uns dann insgesamt wechselhaftes und kühles Wetter mit zeitweiligem Regen und Schauern, die im Norden mit Graupel und im Bergland sogar mit Schnee vermischt sind. Dazwischen gibt es aber auch immer wieder kurze Auflockerungen. Dazu wird es noch ziemlich windig. Am Samstag sind im Norden Deutschlands verbreitet sogar stürmische Böen zu erwarten. Bei Höchstwerten von 8 bis 14 Grad wird es für die Jahreszeit etwas zu kalt.
Die weiteren Aussichten sind noch sehr unsicher. Die meisten Modelle simulieren Mitte der nächsten Woche einen Ausbruch arktischer Kaltluft mit Nachtfrösten und Schnee im Bergland, was noch einen weiteren Temperaturrückgang zur Folge hätte.
Nicht nur das Wetter gestaltet sich ähnlich wie in Goethes "Faust", auch die Tradition des Osterspaziergangs hat sich bis in die heutige Zeit gehalten. Doch sieht dieser jetzt etwas anders aus. Heutzutage zieht es die meisten Leute nicht mehr zu Fuß vor das Stadttor in die freie Natur, sondern man fährt mit dem Auto über die Alpen in wärmere Gefilde. Dank des Nordföhns ist das Wetter dort nämlich deutlich besser als bei uns. Abgesehen von zeitweiligen Schauern am Samstag scheint dort häufig die Sonne bei angenehmen Temperaturen um 20 Grad.
Dipl.-Met. Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.04.2017
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