Seit Tagen an den Alpen nur ein Bild: Es ist grau in grau und regnet, mal stärker, mal weniger stark. So auch in den Frühstunden des heutigen Dienstags (9.5.). Aktuell ist der Grund dafür eine Kaltfront, die in der vergangenen Nacht die Alpen erreicht hat und hinter der polare Kaltluft zu uns geströmt ist ? die sich im Norden auch mit Frost und Bodenfrost bemerkbar gemacht hat. Aber Rettung, zumindest für die regengeplagten Oberbayern und Schwaben, naht. Denn die eingeflossene Polarluft kommt zunehmend unter Hochdruckeinfluss. Und da sich die Dauerregensituation jetzt dem Ende zuneigt, kann man diese durchaus mal Revue passieren lassen und die Frage stellen, ob denn die Wettermodelle gute Prognosen geliefert haben.
Dazu versetzen wir uns zurück in den vergangenen Samstag und betrachten von zwei Wettervorhersagemodellen die prognostizierten 72-stündigen Niederschläge. Die Prognosen basieren dabei jeweils auf dem Prognoselauf von 2 Uhr MESZ aus der Nacht von Freitag auf Samstag. Die entsprechenden Grafiken finden Sie in der zugehörigen Abbildung.
An den Start des ?Regenrennens? geht dabei auf Bahn eins (oben) das Modell des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (EZMWF). Der Lokalmatador ICON des DWD startet auf Bahn 2 (unten). Dabei fällt optisch schon seine feingliedrige Athletik, sprich seine detailliertere Darstellung auf ? das DWD-Modell geht hier mit einer feineren räumlichen Auflösung ins Rennen. Ist das ein Vor- oder Nachteil? Wir werden sehen? Das Regelwerk des Rennens, sprich die Farblegende der Niederschläge, ist links neben den Modellgrafiken dargestellt. Und der Schiedsrichter ist unten zu sehen ? die 72-stündigen Messungen von heute Morgen 8 Uhr (im mm).
Bevor man sich auf die Auswertung der stärksten Niederschläge an den Alpen stürzt, lohnt ein Blick auf den Schwarzwald. Dort liegt ICON mit seiner Prognose (bis 80 mm) fast perfekt, EZMWF unterschätzt die Regenfälle dort dagegen etwas. Anders die Situation in Vorarlberg. Mit einem Höchstwert von 193 mm liegt die ICON-Prognose etwa doppelt so hoch wie die tatsächlich gefallenen Niederschläge. Warum? Hier ist die hohe Modellauflösung tatsächlich ein Nachteil, denn auch die ?Modellalpen? sind bei unserem ?Feingeist? näher an der Realität und damit letztendlich auch höher als die Berge des gröberen EZMWF-Modells. Das hat dann natürlich auch Auswirkungen auf die errechneten - und in diesem Fall zu hohen - Stauniederschläge. Der Punkt geht dann also an das EZMWF. Weiter im Osten, zwischen Werdenfelser Land und Chiemgauer Alpen, liegt dann ICON wieder vorn. Während dort verbreitet Mengen zwischen 60 und 100 mm gemessen wurden, in Aschau-Stein sogar 130 mm (und damit der Rekord der Dauerregenlage), hat ICON dort immerhin bis 90 mm Regen vorhergesagt, EZMWF jedoch nur bis 60 mm.
Eine solche Modell-Momentaufnahme wie hier dargestellt reicht zur Ab- und Einschätzung der Wettersituation aber nicht aus. So werden zusätzlich ältere Modellläufe mit den aktuellen verglichen, um Aussagen über die Modellstabilität machen zu können. Die Modellergebnisse werden auf ihre meteorologische Plausibilität abgeklopft und bewertet. Und dann lässt der Meteorologe noch seine Erfahrung einfließen, um aus allen Informationen eine gute Vorhersage zu formen.
So lauteten die DWD-Prognosen am Ende so, dass am Alpenrand 80 bis 100 mm Regen erwartet wurden, in Staulagen sogar bis 120 mm. Und das hat dann doch gut gepasst.
Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 09.05.2017
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