Das Wetter in Deutschland wird derzeit von Hoch ?Walrita? bestimmt. Dieses liegt am heutigen Freitag mit Zentrum über der Nordsee und gibt atlantischen Tiefausläufern keine Chance nach Deutschland vorzudringen. Allerdings sickert in den Norden und Osten mit einer noch nördlichen Strömung feuchtere Meeresluft ein, die teilweise für eine hochnebelartige Bewölkung sorgt. Ansonsten sind die Absinkbewegungen der Luft in der Atmosphäre durch ?Walrita? zu stark, sodass sich kaum Wolken am Himmel zeigen. Stattdessen kann die Sonne nahezu ungehindert scheinen.
Im weiteren Verlauf verlagert Hoch ?Walrita? jedoch seinen Schwerpunkt nach Osten. Am Samstag liegt das Zentrum schon über Nordpolen und am Sonntag dann über der Westukraine. Einhergehend stellen sich über Mitteleuropa und somit auch über Deutschland die Strömungen um. Zunächst dreht die bodennahe Windkomponente auf Süd und zapft sehr warme bis heiße subtropische Luft aus Südeuropa an. Mit Sonnenunterstützung können die Temperaturen am Samstag im Westen und am Sonntag verbreitet an bzw. über die 30-Grad-Marke steigen. In der Spitze sind am Sonntag Höchstwerte von 34 Grad zu erwarten.
Der Montag wird dann wohl der heißeste Tag der Woche. Abgesehen von den Küstenregionen erreichen die Temperaturen deutschlandweit ein hochsommerliches Niveau zwischen 25 und 35 Grad.
Mit der Verlagerung gen Osten macht ?Walrita? jedoch auch wieder Platz für tieferen Luftdruck. Schon am Sonntag rücken erste Tiefausläufer dem westdeutschen Raum auf die Pelle. Dann nämlich soll sich eine Kaltfront in den Westen und Norden schieben. Im Gepäck hat die Luftmassengrenze auch deutlich mehr Feuchte, sodass sich die sommerlichen Temperaturen zunehmend schwül anfühlen. Dies lässt sich schließlich auch an den sogenannten gefühlten Temperaturen ablesen, die ab Samstag von Westen und Südwesten her über 30 Grad ansteigen. Am Sonntag und Montag sind am Rhein sogar als belastend gefühlte Werte bis 37 Grad möglich. Entsprechend ist zumindest tagsüber mit einem warmen bis heißen thermischen Empfinden mit einer teils hohen Wärmebelastung zu rechnen (vgl. Graphik oder unter: http://www.dwd.de/biowetter).
Entspannung bieten noch die Nächte. Diese sind bei Tiefstwerten meist zwischen 19 und 10 Grad zwar mild, bieten aber noch die Möglichkeit durchzulüften und sich vom Wärmestress am Tage zu erholen. Zudem sind auch die Gebäude bei der ersten Hitzeperiode des Jahres noch nicht aufgeheizt, sodass sich die Innenraumtemperaturen überwiegend im angenehmen Bereich befinden. Dennoch sollte man den Körper tagsüber im Freien schützen und auf kräfteraubende Tätigkeiten möglichst verzichten. Vor allem bei älteren und kranken Menschen sind die Reserven der Thermoregulation schneller erschöpft.
Insgesamt stellt die Schnittstelle zwischen Wetter bzw. Klima und der Medizin ein spannenden Forschungs- und Arbeitsbereich mit vielen Herausforderungen dar. Mit den Wechselwirkungen zwischen den atmosphärischen Prozessen und den lebenden Organismen (Pflanzen, Tiere und Menschen) befasst sich die Biometeorologie als interdisziplinäre Wissenschaft. Die zentrale Frage dieses Wissensbereiches ist also: Wie beeinflussen Wetter und Klima lebende Organismen?
Dabei werden mit dem ?aktinischen Wirkungskomplex?, dem ?thermischen Wirkungskomplex? und dem ?lufthygienischen Wirkungskomplex? allgemein drei verschiedene Wirkungsbereiche unterschieden.
Der aktinische Wirkungskomplex behandelt die Komponenten der biologisch wirksamen Sonnenstrahlung; sie reichen vom infraroten über den sichtbaren bis zum UV-Bereich. Sowohl gesundheitsfördernde als auch -schädigende Einflüsse sind bekannt: Beim Menschen fördert beispielsweise Infrarotstrahlung die Durchblutung. Sichtbares Licht beeinflusst Hormonhaushalt und Psyche. Das größte Wirkungsspektrum besitzt jedoch die UV-Strahlung: Hautbräunung, Vitamin-D3-Synthese, aber auch Schädigung von Hautzellen und Sonnenbrand sind nur einige, vielleicht die bekanntesten positiven wie negativen Auswirkungen der UV-Strahlung.
Im lufthygienischen Wirkungskomplex werden die natürlichen und die durch den Menschen verursachten Luftbeimengungen zusammengefasst. Zu diesen zählen Grob- und Feinstaub, Pollen sowie auch gasförmige und flüssige Stoffe.
Von besonderem Interesse ist ? wie z.B. bei der bevorstehenden Hitzewelle - der thermische Wirkungskomplex. Zu diesem Wirkungsbereich gehören alle Größen, die für den Austausch von Wärme zwischen dem lebenden Organismus und der ihn umgebenden Atmosphäre von Bedeutung sind. Die wichtigsten meteorologischen Größen sind dabei Lufttemperatur, Luftfeuchte, Windgeschwindigkeit und Strahlung. Für eine zahlenmäßige Erfassung und Einordnung des Wohlbefindens, der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit des Menschen ist es notwendig, die thermischen Umweltbedingungen des Menschen in einer physiologisch korrekten sowie wirkungsvollen und praktischen Weise aufzubereiten, darzustellen und weiterzugeben.
Damit die inneren Organe und das Gehirn eines Menschen optimal funktionieren können, muss die Körpertemperatur auf einem konstanten Niveau (~37°C) gehalten werden. Dafür sollten die Wärmeproduktion im Organismus und die Wärmeabgabe an die Umgebung über einen längeren Zeitraum im Gleichgewicht stehen. Vom Wärmegleichgewicht abweichende Bedingungen werden dem Menschen - über das Gehirn gesteuert - durch Frieren oder Schwitzen bewusst und führen so zu einer Anpassung des Verhaltens, z.B. durch Ablegen von Kleidung, Verminderung der Aktivität oder Aufsuchen von geschützten bzw. klimatisierten Räumen.
Die Temperatur der Haut und der Extremitäten können dabei jedoch abhängig von den Umgebungsbedingungen stark schwanken. Überschüssige Wärme gibt der Körper über die Haut an die Umgebung ab. Mögliche Prozesse sind beispielsweise die Konvektion (sensibler Wärmefluss), Strahlung (langwellige Strahlung) sowie die Verdunstung z.B. von Schweiß und Diffusion von Wasserdampf (latenter Wärmefluss). Gleichermaßen kann der Wärmehaushalt in einem bestimmten Maße auch über die Atmung (latenter und sensibler Wärmefluss) reguliert werden. Aufgrund des unterschiedlichen Stoffwechsels bei Menschen kann das thermische Empfinden in Abhängigkeit beispielsweise von Alter und Geschlecht variieren und ist somit lediglich eine subjektive Bewertung der Auswirkung der Umgebungsbedingungen auf den Zustand des Körpers.
Um das thermische Empfinden auf Basis der vorgefundenen Umgebungsbedingungen zu analysieren und vorherzusagen, wird auf verschiedene Konzepte zurückgegriffen. Ein weitverbreitetes Konzept basiert dabei auf der Betrachtung einer ?äquivalenten Temperatur?. Sie beschreibt in diesem Fall die Lufttemperatur, die in einer Referenzumgebung herrschen müsste, um das gleiche thermische Befinden wie in der aktuellen Umgebung (optimalen Zustand des Wärmehaushaltes des Körpers) hervorzurufen. Der Vergleich der äquivalenten Temperatur zur Lufttemperatur erschließt sich häufig selbständig, besonders in Hinsicht auf extreme Bedingungen (Hitze, Kälte).
Der Deutsche Wetterdienst betreibt darauf aufbauend als thermisches Bewertungsverfahren das sogenannte ?Klima-Michel-Modell?. Dabei greift er auf die ?gefühlte Temperatur? als eine Variante der äquivalenten Temperatur zurück, die die Anpassung der Bekleidung an die aktuellen thermischen Bedingungen berücksichtigt. Allerdings gelten die Bewertungen jeweils nur für einen aufrecht stehenden Menschen. Der Klima-Michel beschreibt bei der Bewertung einen Norm-Menschen. Dieser erbringt eine Arbeitsleistung von 172,5 Watt bzw. 135 Watt pro Quadratmeter Hautoberfläche. Dies entspricht dem Zustand ?Gehen? mit etwa 4 km/h in der Ebene. Gleichermaßen ist die Bewertung an den Außenbedingungen ausgerichtet, sodass der ?Michel?, um sein thermisches Gleichgewicht herzustellen, seine Kleidung zwischen einer sommerlichen und winterlichen Variante variieren kann. Die sommerliche Kleidung entspricht beispielsweise einer leichten langen Hose, einem kurzärmeligen Hemd und Sandalen.
Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.05.2017
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