Sintflutartige Regenfälle über Nordostdeutschland, heftige Gewitter mit Sturm und Hagel über dem westlichen Osteuropa und eine mächtige Hitzewelle über Südosteuropa. Das europäische Wetter ist durch Tief RASMUND in Aufruhr, das über West- und Mitteleuropa liegt und ein für diese Jahreszeit ungewöhnlich umfangreiches und langlebiges Tiefdruckgebiet darstellt. Während im gestern verfassten Thema des Tages die heftigen Dauerniederschläge über dem Nordosten Deutschlands näher betrachtet wurden, soll heute die Hitze im Südosten Europas im Fokus stehen.
Im Allgemeinen ist eine Hitzewelle im Mittelmeerraum während der Sommerzeit nichts Ungewöhnliches und die Bewohner sind heiße Witterungsabschnitte während dieser Zeit mit Sicherheit gewöhnt. Nicht umsonst zeichnet sich das Mittelmeerklima durch trockene und heiße Sommermonate sowie milde und regenreiche Wintermonate aus. Allerdings ist die Hitzewelle, die aktuell den Südosten Europas beeinflusst, zwar nicht wegen ihrer Dauer, sondern wegen ihrer Intensität sicherlich erwähnenswert. Die Temperaturen in 2m über Grund weichen in einem breiten Streifen vom östlichen Mittelmeer bis nach Bulgarien und teils auch Rumänien um rund 10 bis gebietsweise 15 Kelvin vom klimatologischen Mittel von 1979 bis 2000 ab. Bevor wir aber zu den Auswirkungen dieser Hitzewelle kommen, schauen wir uns kurz deren Entstehung an.
Im Grunde handelt es sich um eine klassische Konstellation für eine Hitzewelle über Südosteuropa. Zum Beginn der Woche entwickelte sich über Westeuropa ein umfangreicher Höhentrog, der sich durch niedrigen Luftdruck in rund 5.5 km Höhe über Grund auszeichnet (siehe im DWD Lexikon unter "Höhentrog"). Dieser Trog zog im Verlauf der Woche nur sehr langsam nach Osten und erreichte erst gestern am Freitag das westliche Mittelmeer. Gleichzeitig bildete sich unter diesem Höhentrog das großräumige Tiefdruckgebiet RASMUND aus, das aus zahlreichen kleineren Tiefdruckgebieten (sog. ?Teiltiefs?) bestand, die von Südwest nach Nordost über West- und Mitteleuropa geführt wurden. Zeitweise beeinflussten diese Tiefdruckgebiete eine Fläche von England bis zur Ostsee im Norden und bis Nordafrika im Süden. Durch die sehr südliche Ausdehnung schaufelte dieser Tiefdruckkomplex zunehmend heiße Wüstenluft aus Algerien und Tunesien nach Nordosten. Unterstützt wurde dieser Transport durch ein umfangreiches Hochdruckgebiet über Libyen und Ägypten, das besonders in der mittleren Troposphäre (rund 5.5 km über Grund) kräftig ausgeprägt war.
Aus dieser Druckverteilung resultiert nun ein heißer Südwind mit dem Namen ?Sirokos? in Griechenland und ?Sirokko? in der Türkei. Dieser heiße Wind weht, von Nordafrika kommend, über das östliche Mittelmeer und nimmt durch Verdunstung über dem warmen Mittelmeerwasser etwas Feuchtigkeit auf. Diese feuchte Schicht beschränkt sich aber meist auf die untersten 100 bis 300 Meter und kann besonders im Lee von Gebirgen oder Inseln durch Fallwinde rasch wieder austrocknen. Dieser Südwind ließ die Temperaturen in Griechenland und der Türkei kräftig steigen. Hier einige Höchstwerte von gestern: Eleusis (Griechenland) 44.8 °C, Antalya (Türkei) 44.8 °C, Sandanski (Bulgarien) 42.0 °C und Bechet (Rumänien) 39.2 °C. Auch die Tiefstwerte fielen besonders im Süden Griechenlands und der Türkei teils heiß aus, wobei in Kythira (Griechenland) und Antalya (Türkei) jeweils ein Tiefstwert von 32.4 °C gemessen wurde.
Diese Hitzewelle dürfte auch das östliche Mittelmeer wenigstens oberflächennah weiter aufheizen. Das gesamte Mittelmeer ist bisher überall zu warm im Vergleich zum langjährigen, klimatologischen Mittel von 1979 bis 2000, wobei die Abweichungen abgesehen vom äußersten westlichen Mittelmeer zwischen 1 und 4 Kelvin liegen. Vielerorts liegen die Wassertemperaturen bei 24 bis knapp 28 Grad mit den für das Mittelmeer typischen starken regionalen Schwankungen.
Wie bereits angesprochen fällt diese Hitzewelle jedoch nicht durch ihre Dauer auf, denn sie wird heute in Rumänien, in Griechenland im Verlauf des Sonntags und in der westlichen Türkei im Verlauf des Montags von Westen durch eine markante Kaltfront beendet. Davor steigt die Temperatur heute im Südwesten der Türkei in der Spitze aber noch auf gnadenlos heiße 47 Grad.
Dieser Luftmassenwechsel vollzieht sich vielerorts allerdings mit großem ?Tamtam?, denn die Zutaten für heftige Gewitter sind heute in Rumänien und der Ukraine und am Sonntag im Norden Griechenlands und Bulgarien entlang der Kaltfront gegeben. Luftteilchen, die entlang der Kaltfront gehoben werden, können rasch aufsteigen und hochreichende Gewitterwolken bilden. Gleichzeitig werden in diesen Regionen für diese Jahreszeit ungewöhnlich heftige Winde in der mittleren Troposphäre erwartet mit Windgeschwindigkeiten in rund 5.6 km Höhe von 100 bis 140 km/h. Da die Winde mit der Höhe nicht nur an Geschwindigkeit zunehmen, sondern auch ihre Richtung ändern, sind die Zutaten für Unwetter gegeben, wobei mit großem Hagel, schweren Sturmböen und heftigem Starkregen gerechnet werden muss.
Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.07.2017
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