Für die Bildung schwerer Gewitter sind drei Zutaten in der Atmosphäre notwendig: ausreichend Energie, genügend Luftfeuchte und ein Hebungsmechanismus. Die Energie wird benötigt, um hochreichende Gewitterwolken zu produzieren. Damit die Wolke auch als solche bestehen bleibt, ist u.a. die Feuchte essenziell. Wolkentropfen bilden sich jedoch nur durch Kondensation, wenn eine warme Luftmasse in kältere Atmosphärenschichten gehoben wird. Dies geschieht bspw. an einer Kaltfront, wenn kalte Luft auf schwülwarme trifft. Die schwerere Kaltluft schiebt sich unter die warme und hebt diese.
Gewitter können mit unterschiedlichen Begleiterscheinungen einhergehen. Langlebige Gewitter resultieren häufig aus einer recht dynamischen Atmosphäre, in der sich die Windgeschwindigkeit als auch die Windrichtung mit zunehmender Höhe deutlich ändern (Richtungs- und Geschwindigkeitsscherung). Diese energiereichen Gewitterzellen sind häufig mit Hagel und Sturmböen verbunden, ziehen aufgrund der starken Höhenwinde aber recht schnell, sodass ergiebiger Starkregen ein eher zweitrangiges Warnkriterium darstellt.
Pulsierende Gewitter hingegen, die immer wieder über ein und derselben Region in die Höhe schießen und sich somit kaum von der Stelle bewegen, bergen in einer sehr feuchten und energiereichen Atmosphäre ein hochgradiges Potenzial für heftigen Starkregen. Dass die Gewitter nicht von der Stelle kommen, liegt am schwachen Wind in mittleren Troposphärenschichten. Die Gewitter verlagern sich normalerweise mit der Windgeschwindigkeit in etwa 3 bis 5 km Höhe. Ist der Wind dort relativ schwach, kommen die Gewitter nur sehr langsam voran. Sind die Windgeschwindigkeiten in den unteren Troposphärenschichten (1-2 km) zudem etwas kräftiger als jene in der Höhe, kann es passieren, dass sich hinter dem ersten Gewitter wieder ein neues bildet. Dann regnen sich die Gewitterwolken beständig über einem Gebiet ab und Überschwemmungen sind die Folge. Ist die Region dann auch noch durch enge Schluchten gekennzeichnet, gehören Sturzfluten (engl. "flash floods") häufig zu den Auswirkungen dieser heftigen Niederschläge.
Im Süden des US-Bundesstaates Utah liegt eine Region - genannt "Grand Staircase-Escalante National Monument" - die durch Plateaus, Schluchten, Tafelberge und Klippen geprägt ist und in der es zahlreiche farbenprächtige geologische Formationen gibt. Sie gehört zum Colorado-Plateau (siehe Thema des Tages vom 24. Mai 2017), das seit dem mittleren Tertiär (vor etwa 10 Millionen Jahren) langsam gehoben wurde und in der Erosion durch Wind und Wasser das Aussehen gestalten. Zudem gruben sich der Fluss Colorado und seine Nebenarme in die von Sandstein durchzogene Landschaft und hinterließen in großer Zahl Schluchten (sogenannte "Canyons").
Ein Abenteuer für Touristen in diesen Gebieten ist der Besuch dieser Canyons. Einer der bekanntesten und farbenprächtigsten ist der Bryce Canyon am Nordrand des Grand Staircase-Escalante National Monument. Noch abenteuerlicher ist jedoch eine Wanderung durch einen mehrere kilometerlangen sogenannten "Slot Canyon", einer unglaublich engen Schlucht mit zum Teil weniger als 40 Zentimetern Breite, sodass ein Erwachsener noch geradeso hindurch passt (Foto 1).
Häufig kommt es im Südwesten der USA im Sommer zu niederschlagsreichen Gewittern. Selbst wenn der Regen weit entfernt der engen Schluchten niedergeht und der Himmel über der Schlucht noch strahlendblau ist, besteht in den "Slot Canyons" ein hohes Risiko von Sturzfluten. Das Regenwasser sammelt sich auf dem Plateau, fließt in vorgegebenen Bahnen des Gesteins hinab in die Schluchten und flutet diese engen Canyons innerhalb weniger Minuten. Ein Wanderer, der sich in diesem Moment in der Schlucht befindet und das entfernte Donnergrollen nicht wahrgenommen hat, befindet sich sogleich in großer Gefahr. Sobald der Donner zu vernehmen ist, sollte ein "Slot Canyon" alsbald verlassen werden, um dem Risiko des Ertrinkens zu entfliehen. Lassen Sie es sich gesagt sein, gerade bei einem erfahrenen Meteorologen, der sich der Gefahr von "flash floods" bewusst ist und sich in einem solchen Slot-Canyon befindet, steigt der Adrenalinpegel beim Registrieren des Donners, und zwar nicht weil sich außerhalb der Schlucht in diesem Moment wahrscheinlich ein großartiger Anblick einer freistehenden Gewitterzelle bietet (Fotos 2+3)...!
Dipl.-Met. Julia Fruntke
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.07.2017
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