Ein wahrlich turbulenter und denkwürdiger Donnerstag liegt hinter uns. Wenn in diversen Nachrichtensendungen das Wetter zum Topthema wird, ist klar, dass etwas Besonderes passiert sein muss. Und tatsächlich: Sturmtief XAVIER sorgte vor allem im Norden und Osten Deutschlands mit teilweise heftigem Regen und Sturm für mächtig "Wirbel". Im heutigen Thema des Tages wollen wir sowohl die meteorologischen Facetten als auch die Auswirkungen des durchaus bemerkenswerten Wetterereignisses rückblickend beleuchten.
3000 Kilometer legte der "Schnellläufer" XAVIER innerhalb 24 Stunden zurück, um vom Nordatlantik her kommend am Donnerstagvormittag mit seinem Kern den Nordwesten Deutschlands zu erreichen. Als ausgewachsenes Sturmtief verlagerte er sich schließlich über Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und die Uckermark bis Donnerstagabend nach Polen. Dabei verstärkte sich der Sturm auf seinem Weg über das Norddeutsche Tiefland aufgrund günstiger Entwicklungsbedingungen sogar noch. So sank der minimale Luftdruck im Tiefkern von 990 hPa auf 985 hPa, während am südlichen Ober- und Hochrhein zugleich knapp 1020 hPa registriert wurden. Das Luftdruckgefälle zwischen Süden und Norden vergrößerte sich also bis auf rund 30 hPa, wobei die Luftdruckgegensätze knapp südlich des Tiefzentrums besonders scharf ausgeprägt waren.
Dieser veritable Luftdruckgradient, aber auch für ein solches Tief ganz spezifische komplizierte meteorologische Prozesse, auf die an dieser Stelle nicht eingegangen werden soll, führten dazu, dass die höchsten Windgeschwindigkeiten in einem recht schmalen Streifen knapp südlich des Tiefkerns auftraten. Da das Hauptsturmfeld mit der Verlagerung des Tiefs rasch von West nach Ost über das Land geführt wurde, fiel der Sturm kurz aber heftig aus.
Folglich wurde ein erster Höhepunkt des Sturmes am Vormittag und um die Mittagszeit in Niedersachsen und Hamburg erreicht. Verbreitet sind schwere Sturmböen um 100 km/h, stellenweise auch orkanartige Böen bis 115 km/h registriert worden. An der Nordsee kam es zu einzelnen Orkanböen um 120 km/h. Im Nachmittagsverlauf verlagerte sich das Hauptsturmfeld über Sachsen-Anhalt rasch nach Brandenburg und Berlin. Besonders in Brandenburg fegten verbreitet orkanartige Böen über das Land. Ausgerechnet im Großraum Berlin gesellten sich auch immer häufiger Orkanböen dazu. Die stärkste Böe wurde indes auf dem Brocken mit 177 km/h gemessen, was für diesen völlig exponierten "Fels in der Brandung" aber nicht sonderlich ungewöhnlich ist. In den übrigen Landesteilen kamen im Tagesverlauf starke bis stürmische Böen, im Bergland Sturmböen auf den Plan.
Es stand bereits vor Eintreffen des Ereignisses außer Frage, dass selbst von schweren Sturmböen eine große Gefahr ausgehen würde, vor allem, wenn man bedenkt, dass sich dieser Sturm zu einer Jahreszeit ereignete, in der die Bäume noch voller Laub sind und viel leichter umstürzen als im Hochwinter. Die schweren Sturmböen sind per DWD-Definition zwar kein Unwetterereignis, der "Impact" in diesem Fall aber sehr wohl unwetterartig. Insofern entschied sich der Deutsche Wetterdienst für eine großflächige Unwetterwarnung in einem breiten Streifen vom Nordwesten bis in den Osten - und das durchaus gerechtfertigt, wie die nachfolgend aufgeführten, weitreichenden und teilweise schlimmen Auswirkungen belegen.
Wie befürchtet kam es im Bereich des Hauptsturmfeldes zu massiven Sturmschäden. Umgestürzte Bäume blockierten vielerorts den Schienenverkehr, wodurch sich die Deutsche Bahn gezwungen sah, sowohl den Fern- als auch Nahverkehr teilweise komplett einzustellen. Tausende Bahnreisende strandeten an den Bahnhöfen, mussten gebietsweise sogar dort übernachten. Auf Stromleitungen stürzende Bäume führten zu großflächigen Stromausfällen, die in manchen Regionen stundenlang anhielten. Insbesondere in den Großstädten Hamburg, Bremen, Hannover, Braunschweig, Potsdam und Berlin hatten die Feuerwehren alle Hände voll zu tun. 650 Einsätze zählte die Feuerwehr Hamburg alleine in zwei Stunden, während die Kollegen in Berlin sogar den Ausnahmezustand ausriefen. Darüber hinaus kam es im Flugverkehr zu massiven Beeinträchtigungen. Leider sind mindestens sieben Menschenopfer zu beklagen, auch meist durch umstürzende Bäume.
Im und knapp nördlich des Tiefzentrums war Sturm dagegen kein großes Thema, dafür aber der Regen. In einem Streifen von Ostfriesland über Schleswig-Holstein bis nach Vorpommern schüttete es wahrlich wie aus Eimern. Meist fielen 30 bis 50 l/qm, stellenweise sogar bis knapp 70 l/qm - und das teilweise in wenigen Stunden. Zwar führten diese Wassermassen vielerorts zu Überschwemmungen, im Gegensatz zu den Sturmschäden sind in diesem Fall aber keine größeren Auswirkungen bekannt.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass XAVIER ein bemerkenswerter, aber mitnichten ein außergewöhnlicher Sturm war. Mit den großen seiner Zunft wie Orkan KYRILL (2007) oder Orkan Lothar (1999) konnte er nämlich nicht mithalten. Dennoch, der denkbar ungünstige Zeitpunkt noch früh in diesem Herbst und die ungewöhnlich südliche Zugbahn führten zu einer derart großen "Wirkkraft", dass der Sturm sicherlich als denkwürdiges Wetterereignis in die Geschichte eingehen wird.
Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 06.10.2017
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