Das Wetter im westlichen und zentralen Mittelmeerraum präsentiert sich zurzeit wahrlich turbulent. Im Einflussbereich von Tief NUMA kommt es zu teilweise heftigen Starkniederschlägen. Betroffen ist insbesondere ein Gebiet von Nordalgerien und Nordtunesien über Italien bis zum Südwestbalkan.
Tief NUMA kann als klassisches Mittelmeertief bezeichnet werden, wie es vornehmlich im Herbst und Winter auftritt. Es entstand über dem Golf von Genua durch ein nordwestliches Umströmen sowie Überströmen der Alpen mit Kaltluft polaren Ursprungs. Diese sog. "Genuatiefs" gehören neben den Adria- und Balearentiefs zu den drei am häufigsten vorkommenden Formen von Mittelmeertiefs.
NUMA ist gekoppelt an ein in der mittleren und oberen Troposphäre (ca. 5 bis 10 km Höhe) ausgeprägtes und mit reichlich Kaltluft angefülltes Höhentief. Mit Verlagerung des Höhentiefs "löste" sich NUMA vom Alpenrand und zog schließlich langsam südwärts ins Seegebiet zwischen Sizilien und Sardinien, wo es am heutigen Mittwochmorgen zu finden ist. Typischerweise lösen sich diese Mittelmeertiefs langsam auf, sofern sie nicht wieder von der Höhenströmung "eingefangen" und unter Intensivierung ins östliche Mitteleuropa gesteuert werden und dort mitunter auch für Starkniederschläge sorgen können (Stichwort "Vb-Wetterlage", siehe DWD-Lexikon:
https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/lexikon_node.html).
Tief NUMA könnte aber einen anderen Weg einschlagen und sich zu einem sog. "Medicane" entwickeln, eine Art Tropensturm über dem Mittelmeer. Der Begriff "Medicane" wurde im Laufe der Achtzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts geprägt und ist schlussendlich eine Kombination der Wörter "MEDIterran" und "hurriCANE".
Diese kunstvolle Wortneuschöpfung ist nicht aus der Luft gegriffen. Denn Medicanes und Hurrikane ähneln sich tatsächlich in einigen Gesichtspunkten. Augenscheinlich sind die Gemeinsamkeiten vor allem beim Blick aus dem Weltraum auf die beiden Wettersysteme. So weisen beide ein wolkenarmes "Auge" auf, das von spiralförmigen Bändern aus Schauer- und Gewitterwolken umrundet wird. Aber es gibt auch gravierende Unterschiede. Glücklicherweise erreichen die Medicanes meist nur einen Durchmesser von maximal 300 km und besitzen eine geringere Lebensdauer von ca. 48 Stunden, während Hurrikane durchaus über 1000 km Durchmesser und eine Lebensdauer von mehreren Tagen erreichen können. Medicanes können sich nach ihrer Formation nämlich nicht selbst erhalten, wie es für Tropenstürme typisch wäre. Sie benötigen einen zusätzlichen Antrieb. Dahingehend liefern die kalten Höhentiefs "Hilfestellung", indem sie fortwährend Schauer- und Gewitter entfachen. Der warme Kern bei Medicanes wird in der Regel also von einem kalten Höhentief überlagert, ist damit meist nur auf die untere Troposphäre beschränkt. Folglich sind Medicanes im Vergleich zu Hurrikanen oder Taifunen eher "flache" und kleine Gebilde. Auch das Auftreten der Windmaxima unterscheidet sich stark: Während bei tropischen Wirbelstürmen die höchsten Windgeschwindigkeiten in der Nähe des Auges in der sog. "Augenwand" oder "Eyewall" auftreten, werden bei Medicanes diese weiter entfernt in den spiralförmig angeordneten Gewittersystemen registriert.
Aufgrund dieser deutlichen Unterschiede, nicht zuletzt aber auch aufgrund der völlig anders gearteten Entstehung, ist ihre Einstufung als "tropisch", "subtropisch" oder "außertropisch" bislang noch umstritten. Da nennenswerte "Mittelmeer-Tropenstürme" oder Medicanes eher seltene Phänomene sind und im Schnitt nur alle paar Jahre auftreten (z. B. im Oktober 2016: TRIXI, im November 2014: QUENDRESA, im November 2011: ROLF), gibt es relativ wenig Daten, womit Vieles über die Entstehung noch im Verborgenen schlummert.
Wie auch immer, NUMA soll sich auf ihrem Weg über die Nordspitze Tunesiens hinweg in das Seegebiet zwischen Süditalien und Griechenland laut einiger Computerberechnungen intensivieren und sich zu einem solchen Tropensturm-ähnlichen System entwickeln. Dahingehend bestehen aber immer noch größere Unsicherheiten. Ob NUMA tatsächlich zu einem Medicane heranreift ? dafür benötigt es laut Definition eine mittlere Windgeschwindigkeiten über 119 km/h ? ist also alles andere als klar. Ein Blick auf das Satellitenbild sollte sich in den kommenden 24 bis 48 Stunden aber lohnen.
Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.11.2017
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