Das Wetter in Europa wird im Wesentlichen durch das Wechselspiel von Luftmassen unterschiedlichen Energieinhaltes, nämlich "warmer und feuchter" gegenüber "kalter und trockener" Luft, die durch die allgemeine Zirkulation der Atmosphäre gegeneinander geführt werden, bestimmt. Als "Front" bezeichnet man dabei die Schnittlinie einer Fläche zwischen verschiedenen Luftmassen am Erdboden beziehungsweise auf der Bodenwetterkarte.
Auf dieser Vorstellung basiert die "Polarfronttheorie", die die Entstehung und Evolution von Tiefdruckgebieten in den gemäßigten Klimazonen als Prozesse instabiler Wellenbildungen im Grenzbereich unterschiedlicher Luftmassen interpretiert. Sie wurde vor ca. 100 Jahren von dem Norweger Vilhelm Bjerknes (14. März 1862 bis 9. April 1951) eingeführt und stellt immer noch ein wichtiges Paradigma der "synoptischen Meteorologie" und der Wettervorhersage in den mittleren Breiten dar.
Innerhalb einer Luftmasse sowieso, aber auch beim Übergang von einer Luftmasse zu einer anderen, erfolgt die horizontale Änderung ihrer thermodynamischen Eigenschaften streng genommen kontinuierlich. Meist wird sie jedoch als sprunghaft wahrgenommen, so dass man in praxi tatsächlich von "Grenzflächen" ausgehen kann. Physikalische Eigenschaften wie Temperatur, Dichte und Feuchtigkeit bestimmen die Wärmeenergie der jeweiligen Luftmasse, die sich aus "fühlbarer Wärme" (schlichtweg "warm" oder "kalt") und "latenter Wärme" ("feucht" oder "trocken") zusammensetzt.
Für vergleichende Betrachtungen ist es erstrebenswert, die Wärmeenergie einer Luftmasse auch mit einer einzigen physikalischen Größe beschreiben zu können. Dazu eignet sich besonders die "Äquivalenttemperatur". Darunter versteht man die Temperatur der Luft, die erreicht wird, wenn der gesamte in der Luft enthaltene Wasserdampf kondensiert und die dabei freiwerdende Wärmeenergie zur Erhöhung der Lufttemperatur verwendet wird. Im Falle zweier Luftmassen mit gleicher "aktueller Temperatur", aber verschiedener Feuchtigkeit, hat die feuchtere Luft eine höhere Äquivalenttemperatur und ist damit energiereicher.
Markante Wettererscheinungen in den mittleren geographischen Breiten sind in der Regel an das Vorhandensein von Fronten gebunden. Durch die relative Bewegung der unterschiedlich temperierten Luftmassen zueinander innerhalb eines entstandenen Tiefdruckwirbels kommt es zu "Hebungsvorgängen", und zwar derart, dass - vereinfacht gesagt - bei "Warmfronten" die spezifisch leichtere Warmluftmasse auf den Kaltluftkörper "aufgleitet", wogegen sich bei "Kaltfronten" die spezifisch schwerere Kaltluft unter die Warmluft schiebt und diese anhebt. Die gehobene Warmluft gelangt in der Höhe unter niedrigeren Luftdruck, dehnt sich aus und kühlt sich "adiabatisch" ab. Dabei kondensiert der in ihr enthaltene Wasserdampf und es bilden sich Wolken und Niederschläge.
Seit gestern früh überquert die in Südwest-Nordost-Richtung orientierte, in ihrem Verlauf "Wellen schlagende" Kaltfront des mächtigen Nordmeertiefs REINHARD Deutschland von West nach Ost und verursacht vor allem im Stau des Berglandes z.T. ergiebige Niederschläge. Dabei sinkt heute die Schneefallgrenze auf etwa 600 bis 400 Meter und verharrt in den nächsten Tagen in der auf der Rückseite einfließenden polaren Meeresluft am unteren Rande dieses Intervalls. Nachfolgend stellt sich unbeständiges und mäßig kaltes Wetter ein.
Die beigefügte Darstellung vom Samstag, den 25.11.2017, 06:00 Uhr UTC, zeigt den Frontenzug als breites, helles Wolkenband im Satellitenbild. Eingetragen sind außerdem die an den Niederschlagsmessstationen registrierten, 24-stündigen Niederschlagsmengen in ganzen L/m² (= mm) sowie das vom Vorhersagesystem ICON des DWD für die (die Grundschicht repräsentierende) 950-hPa-Fläche berechnete Äquivalent- bzw. äquivalentpotentielle Temperaturfeld [°C].
Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.11.2017
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