Die stürmische Großwetterlage steuert am Donnerstag mit Sturmtief FRIEDERIKE auf einen Höhepunkt zu. Die genaue Vorhersage gestaltet sich allerdings recht diffizil. Die Herangehensweise und Probleme der Prognose werden im heutigen Tagesthema behandelt. Mittlerweile hat es sicherlich jedermann gemerkt, dass das aktuelle Wettergeschehen durchaus als turbulent zu bezeichnen ist. Relativ kaltes Schauerwetter bei teils stürmischen Wind sorgen bei vielen Menschen nicht gerade für ein gesteigertes Verlangen nach längeren Spaziergängen. Diese turbulente Phase steuert am kommenden Donnerstag nun auf Ihren Höhepunkt zu. Dafür verantwortlich ist Sturmtief FRIEDERIKE. Allerdings macht es FRIEDERIKE den Meteorologen dieser Tage nicht einfach. Zwar scheint mittlerweile die Zugbahn recht klar zu sein, doch gibt es derzeit noch größere Unterschiede, was die tatsächliche Intensität und die damit verbundenen Auswirkungen betrifft. Um die Problematik etwas besser zu verstehen, möchte ich Sie in den Arbeitsalltag der Vorhersagemeteorologen mitnehmen und zeigen, wie wir an die Prognose einer solchen Sturmlage herangehen. Das Wichtigste ist zunächst, dass man sich einen Überblick über die aktuelle Großwetterlage verschafft. Dafür gibt es verschiedene Basisfelder, die sich der Vorhersagemeteorologe anschaut. Dazu gehören neben der Luftfeuchte und der Temperatur in verschiedenen Höhen natürlich auch der Bodenluftdruck und die Druckverteilung in höheren Luftschichten, um das Zusammenspiel der verschiedenen Luftmassen und das sich daraus ergebende Strömungsmuster beschreiben zu können. Grundlage für die Entwicklung von Tiefdruckgebieten sind große horizontale Temperaturunterschiede auf engstem Raum, wie sie aktuell auch über dem Nordatlantik zu finden sind. Die Natur ist bestrebt eben diese Unterschiede auszugleichen. Tiefdruckgebiete sind dabei die Arbeitsgeräte der Atmosphäre und die Temperaturunterschiede ihre Nahrung. Wie riesige Schaufelradbagger werden auf ihrer Ostflanke warme Luftmassen nach Norden geschaufelt und auf ihrer Westflanke im Gegenzug kalte Luft nach Süden. Wo genau entlang der Luftmassengrenze die Tiefs entstehen und wie kräftig sie sich entwickeln, darüber entscheidet die Strömung in den höheren Luftschichten und damit wird auch klar, weshalb wir eben auch verschiedene Modellfelder in höheren Luftschichten betrachten müssen. Zur Einarbeitung konzentriert man sich zunächst auf ein Modell und dafür wird zunächst die Modellkette des DWD betrachtet. Das hauseigene "ICON-Modell" zeigt für den Donnerstag eine brisante Entwicklung in einem Streifen von Südniedersachsen/Nord-NRW über Thüringen und Sachsen-Anhalt bis nach Südbrandenburg und Sachsen schwere Sturmböen. Dort werden nach unserem Modell einzelne Orkanböen erwartet. Nun darf man sich nicht nur auf ein Modell verlassen, sondern muss auch andere Wettermodelle betrachten. Warum? Tut man dies nicht, besteht die Gefahr einer Fehlprognose. Ein Grund dafür ist, dass die Eingangsgrößen (Temperatur, Feuchte, Luftdruck ...) für die Modellberechnungen nicht ausreichend genau gemessen werden. Je nachdem wie die Eingangsgrößen in ein Modell einfließen und wie diese dann weiter verarbeitet werden, können am Ende unterschiedliche Ergebnisse herauskommen. Abhängig von der Größe der Unsicherheiten können Modellunterschiede mal mehr und mal weniger stark ausfallen. Ein einzelnes Modell stellt quasi eine erste Schwarz-Weiß Skizze über die Entwicklung dar und die Einbeziehung weiterer Wettermodelle füllt diese dann mit Farbe. Schaut man sich das farbige Bild an, so fällt auf, dass es einige Prognosen gibt, die "Friederike" um einiges schwächer zeigen, als unser "ICON-Modell". Demnach wären "nur" Sturmböen und vereinzelte schwere Sturmböen zu erwarten. Den letzten Baustein stellen schließlich Modellensembles dar. Dabei wird ein Wettermodell kurz gesagt nicht nur einmal berechnet, sondern gleich mehrfach. Beim europäischen Modell vom EZMW geschieht das ganze 52- mal. Dabei werden die in das Modell hineingesteckten Eingangsgrößen jedes Mal ein wenig variiert, um ihren Unsicherheiten Rechnung zu tragen. Mit dem damit berechneten Strauß an Prognosen lassen sich dann Wahrscheinlichkeiten berechnen. Man kann damit für eine Region bestimmen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Schwellwert überschritten wird. Beim Ensemble bietet sich veranschaulichend ein Aufdeckbild an. Angenommen es besteht aus 60 Teilen. Die Betrachtung einer Einzelmodellösung ist zu vergleichen mit einem einzelnen aufgedeckten Teil. Nutzt man hingegen das Ensemble des EZMW, so kann man 52 Teile aufdecken. Man sieht zwar noch nicht alles, kann aber viel klarer erkennen, welches Wetterszenario sich möglicherweise für die Zukunft ergibt. Betrachtet man nun aktuell das Ensemble des europäischen Modells, so sieht man, dass bei der nahenden Sturmwetterlage die Wahrscheinlichkeit des Überschreitens der Unwetterwarnstufe (Orkanböen) eher gering ist. Das Ergebnis des Vorhersagemeteorologen in der Zusammenschau der Wetterentwicklung lautet also: Derzeit wird für den Donnerstag ein kräftiges Sturmtief erwartet. Dabei kann es in tiefen Lagen Sturmböen und einzelne schwere Sturmböen geben. Unwetterartige Entwicklungen mit Orkanböen können zwar nicht ausgeschlossen werden, sind aber derzeit eher unwahrscheinlich. So lange keine Einigkeit herrscht, müssen neue Modellläufe daher weiter aufmerksam betrachtet werden. Die Gefahr einer Orkanlage ist noch nicht endgültig vom Tisch!
Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.01.2018
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