Rekapitulation: Wir schreiben Ende Februar 2018. Es weht ein eisiger Ost- bis Nordostwind, der zeitweise dichten Flockenwirbel vor sich hertreibt. Wir sprechen jetzt nicht von den eisigen Breiten der Arktis (die zu der Zeit in exponierten Lagen teilweise höhere Tageshöchstwerte als Deutschland aufwiesen), sondern von den Küstenstreifen der Ostsee. Über Tage hinweg wehte ein zunächst trocken kalter Nordostwind über die mit +1 bis +3 Grad vergleichsweise "milde" Ostsee und nahm besonders in den untersten 1500 m der Atmosphäre reichlich Feuchte auf. Diese wurde unablässig in Richtung der Küstenstreifen von Mecklenburg-Vorpommern und der östlichen Küstenabschnitte Schleswig-Holsteins geführt. Während des Überstreichens der Ostsee "erwärmte" sich dabei die unterste Luftschicht, die nun regelrecht zu brodeln begann. Die erwärmte Luft stieg auf und kühlte sich dabei ab. Grundsätzlich gilt, je kälter die Luftmasse in der Höhe ist, umso höher kann die Luft von unten nach oben steigen, dabei kondensieren und hochreichende Wolken bilden. Ende Februar lagen die Temperaturwerte bei zeitweise unter -40 Grad in 500 hPa (was bei der Temperatur einer Höhe von rund 5000 bis 5100 m über Grund entsprach) und somit war es kalt genug, dass sich kräftige Schauer, vereinzelt gar kurze Gewitter bilden konnten, die an die Küsten geführt wurden.
Letztendlich war noch bedeutend, dass sich der Wind über mehrere Tage mit der Höhe kaum änderte. Unter solchen Bedingungen können kräftige und zeitweise auch stationäre Schauerstraßen entstehen, die den jeweiligen Regionen heftiges Schneetreiben bescheren (in der Meteorologie als der sogenannte "lake effect" bekannt). Dem Synonym einer "Straße" entsprechend fällt dabei an einem Ort viel Schnee, während der nur wenige Kilometer entfernte Nachbarort kaum nennenswerte Neuschneemengen vermelden kann. Wie heftig es dabei schneien kann, war auf der Webcam von Rostock am 27. Februar gegen 10:30 Uhr Lokalzeit sehr gut zu erkennen (siehe dazu die beigefügte Abbildung c)).
Über Land beginnen sich die Schauer allmählich abzuschwächen, da die wärmende und anfeuchtende Ostsee fehlt. Sie können ihre Schneelast aber dennoch bis weit ins Landesinnere verteilen.
Doch betrachten wir dieses Ereignis mal von oben, und zwar durch die "Augen" des Satelliten "Suomi NPP (National Polar-orbiting Partnership) aus rund 824 km Höhe über Grund. Wie der Name bereits sagt, handelt es sich dabei um einen polarumlaufenden Satelliten, sodass die Anzahl der zur Verfügung stehenden Bilder sehr begrenzt ist, die dann allerdings in einer unglaublichen Kontraststärke und Detailgenauigkeit vorliegen. Dabei wird der für uns interessante Bereich tagsüber zweimal vom Satelliten überflogen, der gegen 12 und 14 Uhr MEZ die entsprechenden Bilder liefert.
Betrachten wir dabei den gesamten norddeutschen Raum um 12:41 Uhr MEZ in der Abbildung a), so kann man über der Deutschen Bucht und ansatzweise auch im Norden Schleswig-Holsteins eine Schneeschauerstraße erkennen, die zu dem Zeitpunkt lokal noch einiges an Neuschnee brachte. Ansonsten sieht man dank der wolkenfreien Bedingungen besonders im Ostseeumfeld viel Schnee liegen. Wenn man genau hinschaut, erkennt man sogar unterschiedliche Weißtöne, je nachdem, ob lokal noch etwas Erde oder Vegetation zwischen den Schneefeldern hervorschaut, oder ob die Schneedecke dick genug ist, um alles in ein weißes Tuch zu hüllen. Besonders in der blau hervorgehobenen Region fiel zeitweise kräftig Schnee, da hier die Schneeschauerbänder dank der Nähe zur Ostsee am kräftigsten ausfielen und teils für längere Zeit ihre Schneelast abladen konnten.
Weiter im Landesinneren Richtung östliches Niedersachsen und Altmark ist deutlich weniger Neuschnee vorhanden, erkennbar an der teils recht bräunlichen Färbung. Das verwundet auch nicht, ist doch die für die Schneeschauer notwendige Ostsee in Anströmrichtung rund 150 bis 250 km entfernt. Dennoch verirrten sich auch hier immer wieder einige Schneeschauer und sorgten für ein doch recht winterliches Ambiente mit rund 1 bis 5 cm Neuschnee.
Noch kurioser allerdings wurde es weiter im Landesinneren, wie dem westlichen und südlichen Niedersachsen. Dieser Bereich wurde in Abbildung b) hervorgehoben. Sehr schön sind einzelne scharf begrenzte Schneeschauerstraßen mit strichweise etwas Neuschnee zu erkennen. Dabei wurde die von der Ostsee ins Landesinnere geführte Feuchte u.a. regional durch die Orografie angehoben und zur Bildung kleinräumiger Schauer animiert, die ihre Schneelast wie Pinselstriche auf einem Gemälde über Niedersachsen verteilten. Ein eindrückliches Zeugnis dafür, wie ungerecht Mutter Natur in den Augen von Schneeliebhabern die ersehnte Last verteilen kann, aber auch eine Mahnung an alle Verkehrsteilnehmer, wie schnell sich binnen kürzester Zeit die Straßenverhältnisse wetterbedingt ändern können.
Nur wenige Tage vor dem kalendarischen Frühlingsanfang stellt sich nun erneut eine Wetterlage ein, die die Bildung von Schauerstraßen über der mittlerweile auch etwas kälteren Ostsee begünstigt. Zwar sorgt, verglichen mit Ende Februar, etwas "wärmere" Luft in rund 3 bis 5 km Höhe für weniger hochreichende Schauerbewölkung, dennoch werden entlang der Ostsee zugewandte Küstenstreifen auch dieses Wochenende wieder strichweise kräftige Schneefälle und stürmischen Ostwind erwarten dürfen. Von Frühling also noch keine Spur.
Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.03.2018
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