Die gespaltene Front


Tagtäglich gehört der Blick auf die Erde aus dem Weltall zur Arbeit eines Meteorologen. Mithilfe unzähliger Satelliten ist es heutzutage möglich, die unterschiedlichsten Wolkenstrukturen und deren Entwicklung mit sehr hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung zu beobachten. Dies hat vorrangig für die Erstellung der Wettervorhersage eine große Bedeutung. So kann z.B. verfolgt werden, ob die Entwicklung eines Tiefdruckgebietes über dem Ozean so verläuft, wie es die Wettermodelle auch erwarten, da einem dort nur wenige Echtzeitmessungen, wie die von Schiffen, zur Verfügung stehen. Natürlich spielt aber auch die Ästhetik eine Rolle, denn man wird nicht selten Zeuge von beeindruckenden Wolkenstrukturen mit den unterschiedlichsten Formen. Im heutigen Thema des Tages soll so ein "Schnappschuss" vorgestellt werden, der eine sogenannte "split front" über dem offenen Nordatlantik zeigt.

Dafür schauen wir in die Vergangenheit und zwar auf den 28. Mai 2018 und richten unseren Blick auf das Seegebiet vor Grönland, direkt südlich der Irmingersee (beigefügtes Bild). Es ist ein riesiger Wolkenwirbel zu erkennen, der ein für die Jahreszeit kräftiges Sturmtief darstellt.
Dieses Tiefdruckgebiet entwickelte sich bereits am 24. Mai über den Weiten Kanadas, verlagerte sich in der Folge über Neufundland nach Osten und erreichte im Verlauf des 27. Mai den offenen Atlantik. Dort zog es in eine äußerst entwicklungsförderliche Umgebung. Zwischen dem wärmenden Wasser des Golfstroms und der winterlich kalten Polarluft über Grönland baute sich ein markanter Temperaturgradient auf. Außertropische Tiefdruckgebiete beziehen unter anderem ihre Energie aus solchen Temperaturgradienten und daher verwunderte es nicht, dass sich das Tiefdruckgebiet vom 27. auf den 28. Mai innerhalb von 24 Stunden um mehr als 20 hPa verstärkte. Diese Intensivierungsrate liegt nur geringfügig unter der einer sog. "rasanten Tiefdruckentwicklung", von der man ab einem Druckfall von 24 hPa/24h spricht. Dabei entstand während der intensivsten Phase dieses Satellitenbild, in das grob die Kaltfront eingezeichnet wurde. Dabei besitzt die Bodenfront farblich ausgefüllte Symbole, während die offenen Symbole eine Höhenfront repräsentieren, also eine Front, die sich nur in der Höhe bemerkbar macht. Das "T" stellt das Tiefdruckzentrum dar und ist gekennzeichnet von einer immer enger werdenden Wolkenspirale.

Nun muss man wissen, dass bei sehr kräftigen Tiefdruckentwicklungen trockene Luft aus höheren Bereichen der Troposphäre einbezogen wird - nicht selten aus 9 bis 11 km über Grund. Diese trockene Luft wird auf der Südseite des Tiefdruckgebietes regelrecht in tiefere Bereiche der Troposphäre gerissen und wirbelt dann weiter nach Nordosten. Sehen Sie den ziemlich wolkenfreien Bereich südlich und östlich des Tiefdruckzentrums? Das sind die Auswirkungen der trockenen Luftmasse, in der sich ein Großteil der Bewölkung auflöst. Diese trockene Luftmasse wurde durch einen gelben Pfeil gekennzeichnet. Gleichzeitig wurde vorderseitig der Kaltfront bodennah eine warme und feuchte Luftmasse aus Südosten um das Tief geführt (rote Pfeile).

Wenn nun die trockene Luftmasse südlich um das Tiefdruckzentrum gewirbelt wird und die Kaltfront erfasst, die sich östlich vom Zentrum befindet, dann wird der obere Bereich der Kaltfront abgetrocknet. Die trockene Luftmasse überrennt die Kaltfront und frisst sich in die Wolkendecke, die die Kaltfront begleitet. Dabei wird der Übergang dieser trockenen Höhenluft und der feuchten und wolkenreichen Luftmasse als Höhenkaltfront bezeichnet. Dies wurde im Satellitenbild wie bereits erwähnt durch eine Front mit offenen Symbolen dargestellt. Die bodennahe Kaltfront hingegen ist deutlich hinter der Höhenkaltfront zu finden. Diese Art der Frontenverteilung wird als "split front" bezeichnet. Dabei ist der Bereich zwischen Höhen- und Bodenfront meist durch tiefe Bewölkung gekennzeichnet, die in diesem Fall jedoch nur spärlich vertreten war. Der Einschub trockener Höhenluft fiel in diesem Beispiel sehr kräftig aus und die Bodenfront war dort relativ wetterinaktiv.

Mit diesem Wissen lässt sich erklären, wieso man manchmal nach der Passage der Höhenkaltfront mit Schauern und Gewittern nur kurze Zeit später erneut Schauer- und Gewitterwolken am Horizont erkennt. Diese sind in dem Fall an die bodennahe Kaltfront gebunden und sorgen erneut für unliebsame Überraschungen infolge von Blitzschlag und teils heftigen Böen.

Bleibt abschließend zu sagen, dass die Satelliten in der heutigen Zeit aus der Wettervorhersage nicht mehr wegzudenken sind, denn mit ihrer Hilfe können u.a. auch solche Ereignisse entdeckt und analysiert werden, die sich weit abseits der Kontinente ereignen und bedeutend für die regionalen maritimen Vorhersagen sein können.


Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.06.2018

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