Gislinde ließ viele Hobbygärtner, Förster und Landwirte aufatmen. Doch bevor wir zu diesem (Höhen-)Tief kommen, blicken wir auf die Vorgeschichte zurück. April, Mai und Juni waren nicht nur ungewöhnlich warm und sonnenscheinreich, sondern auch die Niederschlagsmengen und deren Verteilung waren bemerkenswert. Einerseits verursachten schwere Unwetter lokale Sturzfluten, Überschwemmungen und Hagelansammlungen. Andererseits rückte in den letzten Wochen eine regional katastrophale Trockenheit zunehmend in den Fokus.
Betrachtet man die aus Radardaten abgeleiteten Niederschlagsmengen zwischen 8. Juni und 8. Juli (Abb. 1), erkennt man eine deutliche Ungleichheit. Große Teile Süddeutschlands bekamen ausreichend Niederschlag ab, wobei auch hier einige Gebiete zu finden sind, in denen weniger als 30mm zusammen kamen. Außergewöhnlich regenarm war es hingegen in weiten Teilen Ost- und Nordostdeutschlands. Nur lokal öffnete der Himmel in Schauern und Gewittern seine Schleusen. In den meisten Regionen fielen allerdings nur zwischen 10 und 30mm und damit deutlich weniger als üblich. Ganz besonders trocken war es im Großteil Sachsen-Anhalts und in Teilen von Brandenburg, wo lediglich zwischen 1 und 10mm Regen registriert wurden.
Da dort auch die Vormonate äußerst niederschlagsarm ausfielen, mündete dies in ein extremes Niederschlagsdefizit. Beim Blick auf den Jahresniederschlag (Abb. 2) springt einem sofort ins Auge, dass in einem Gebiet von der Leipziger Tieflandsbucht über Sachsen-Anhalt und dem Westen Brandenburgs, aber auch in Teilen Vorpommerns bis letzten Sonntag (8. Juli) lediglich schlappe 120 bis 200mm Niederschlag vom Himmel kamen. Damit sind teilweise weniger als die Hälfte des bis dahin zu erwarteten Niederschlags gemessen worden.
Die Folgen der Dürre sind unübersehbar. Auf Wiesen und Rasenflächen ist vielerorts kaum mehr ein grüner Grashalm zu finden. Selbst an einigen Bäumen verfärben sich bereits die Blätter und werden abgeworfen. In der Landwirtschaft kam es zu Getreide-Noternten und auch dem Mais macht der fehlende Niederschlag zu schaffen. Wald- und Flächenbrände kamen auch noch hinzu. Eine detailliertere Analyse der landwirtschaftlichen Auswirkungen sowie eine kurze klimatologische Einordnung können Sie im unten verlinkten Bericht der Abteilung für Agrarmeteorologie nachlesen.
Doch in den letzten Tagen fungierte (Höhen-)Tief Gislinde als Heilsbringerin. Von Dienstag bis Donnerstag bestimmte sie das Wettergeschehen in weiten Teilen Deutschlands. Spiralförmig umkreisten mehrere Starkregenbänder das Tiefdruckzentrum. Diese und einige Gewitter brachten vielerorts den langersehnten Regen. Er war regional sogar mehr als üppig, beispielsweise prasselten in Angermünde (Uckermark) 103mm/72h vom Himmel. Im Osten Berlins lösten heftige Niederschläge am Donnerstagvormittag (z.B. zwischen 4 und 10 Uhr in Berlin-Marzahn 51,3mm [insg. 82mm/72h] und 46,0mm in Berlin-Buch [insg. 94mm/72h]) sogar Überschwemmungen aus.
Ist damit die Trockenheit beendet? Antwort: jein. Abbildung 3 zeigt, dass Gislinde von der Niederlausitz bis nach Vorpommern verbreitet zwischen 30 und 50mm, von der Uckermark bis nach Berlin sogar 70 bis 100mm brachte. Auch von Mecklenburg-Vorpommern über Teile Niedersachsens und Ostwestfalens bis nach Mittelhessen wurden zwischen 20 und 60mm registriert. Weitgehend außen vor blieb der Südwesten und erneut die Dürre-geplagten Gegenden in Sachsen-Anhalt und Nordthüringen, wo nur der "Tropfen auf dem heißen Stein" oder nicht einmal dieser gefallen ist. Von Entspannung bezüglich der verheerenden Trockenheit kann hier keine Rede sein (Abb. 4). Schließlich hat es bisher in diesem Jahr in Artern (Thüringen) lediglich 128mm und in Wittenberg (Sachsen-Anhalt) 136mm geregnet. Das entspricht nur 45,7% (Artern) bzw. 42,5% (Wittenberg) der durchschnittlich dort bis zum 13. Juli gefallenen Jahresregenmenge. Quedlinburg, Jeßnitz, Holzdorf (jeweils Sachsen-Anhalt) und Baruth (Brandenburg) zählen ebenso zu den Niederschlagsstationen, an denen weniger als 150mm Niederschlag gemessen wurde.
Auch in den nächsten Tagen ist in diesen Regionen kaum mit Regen zu rechnen. Schwacher Hochdruckeinfluss sorgt vielerorts für Sonnenschein und sommerliche Temperaturen. Lediglich im Bergland und in Süddeutschland bilden sich einzelne kräftige Gewitter. Land- und Forstwirte in den Dürreregionen werden weiterhin tiefe Sorgenfalten auf der Stirn haben.
Dipl.-Met. Dr. Markus Übel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.07.2018
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