Tropische Systeme wie Hurrikans und Taifune sind bei vielen bekannt. Besonders gut in Erinnerung ist sicherlich noch Hurrikan Florence (USA) und der Supertaifun Mangkhut (Philippinen und Hongkong), die erst in jüngster Vergangenheit Schlagzeilen gemacht haben. Aber auch über dem Mittelmeer können Stürme mit einem tropischen Charakter entstehen, man nennt sie dann Medicanes.
Der Begriff Medicane ist schon mehr als 30 Jahre alt und ist einfach eine Kombination aus zwei Wörtern ??mediterran? und ?Hurricane?. Etabliert hat sich dieser Begriff, als die ersten Satellitenbilder in den Achtzigerjahren tropisch anmutende Tiefdrucksysteme über dem Mittelmeer zeigten, die wie ein tropischer Wirbelsturm ein Auge im Zentrum ausbildeten.
Was unterscheidet einen Medicane eigentlich von einem ?normalen? außertropischen Tiefdrucksystem mittlerer Breiten? Tiefdruckgebiete bilden sich normalerweise aufgrund von horizontalen Temperaturunterschieden zwischen den nördlichen und südlichen Breiten. Um die Unterschiede auszugleichen, bilden sich zwischen den beiden Systemen unsere bekannten Tiefdrucksysteme, die ein klassisches Frontensystem ausbilden. Warmfront und Kaltfront trennen dabei die verschiedenen Luftmassen.
Tropische Systeme haben hingegen keinerlei Fronten. Stattdessen bildet sich ein warmer Kern, das heißt, im Zentrum des Tiefs ist die Temperatur in allen Höhenschichten wärmer, als in ihrer Umgebung. Damit ergibt sich auch die klassische zirkulare Erscheinungsform mit einem ?Auge? ? also einem wolkenfreien Zentrum.
Medicane stellen eine Art Mischform dar. Meist ist ihr Ursprung außertropisch, ehe sie später zunehmend tropische Eigenschaften erlangen. Wunderbar lässt sich dies am aktuellen Medicane ?Zorbas? über dem Ionischen Meer erkennen, der am heutigen Samstag Griechenland bedroht.
Der Ausgangspunkt von ?Zorbas? war ein Kaltluftvorstoß in das östliche Mittelmeer, der am Mittwoch stattgefunden hat. Ein damit in Verbindung stehendes Tief in höheren Luftschichten sorgte mit seiner Dynamik, aber auch in Verbindung mit der Höhenkaltluft, für die Ausbildung eines Bodentiefs vor der Libyschen Küste. Genau diese Kaltluft in der Höhe war es auch, die in Verbindung mit dem warmen Meerwasser zur Ausbildung von Schauern und Gewittern geführt hat. Die Wassertemperatur im Ionischen Meer liegt derzeit bei etwa 27 Grad. Diese Prozesse haben das Tief zusätzlich verstärkt. Der Ausgangspunkt für Medicane ?Zorbas? war also außertropisch.
Mittlerweile hat ?Zorbas? aber klar subtropische Züge angenommen. Erkennen lässt sich dies vor allem seiner Struktur. So liegt das Tief in der Höhe nun nahezu senkrecht oberhalb des Bodentiefs (senkrechte Achsenlage). Zudem ist die Höhenkaltluft verschwunden. Stattdessen lässt sich ein warmer Kern bis in die höheren Troposphärenschichten finden. Das Tief zeigt zudem eine zirkulare Struktur. Einzig ein Auge hat sich nicht ausbilden können.
Positiv für die Verstärkung in den letzten 24 Stunden war vor allem, dass die Unterschiede zwischen den Windgeschwindigkeiten in verschiedenen Luftschichten (vertikale Windscherung) nur gering waren. Eine geringe vertikale Windscherung hilft, eine gebündelte zirkulare Struktur zu erhalten. Wäre die Windscherung zu stark, würde es den Sturm ?zerreißen? und ihn angreifbar machen für trockenere Luftmassen aus der Umgebung. Eine zu starke vertikale Windscherung schwächt den (sub)tropischen Sturm also.
Hilfreich ist zudem, dass das Meerwasser in dem sich ?Zorbas? bewegt, wärmer als im langjährigen Durchschnitt ist. Die Wassertemperatur liegt mit etwa 27 Grad etwas unter den Schwellwerten für tropische Systeme und das warme Wasser hat auch nur eine geringe Ausdehnung. Es ist also nur die Oberfläche sehr warm. Gleichzeitig liegt aber auch die Temperatur in höheren Luftschichten niedriger, als über den Tropen. Damit sind auch etwas niedrigere Werte der Meeresoberflächentemperatur durchaus ausreichend um einen Subtropensturm wie ?Zorbas? zu verstärken.
Und wie geht es weiter? Der Medicane hat um sein etwas asymmetrisch aussehendes Zentrum zahlreiche Gewitterherde ausgebildet und wird im Laufe des heutigen Tages in eine neue Tiefdruckentwicklung eingebunden, die von Westen her übergreift. Das hat zur Folge, dass das System nordostwärts geführt wird und dabei Griechenland überquert, ehe es am Sonntag die Türkei erreichen wird. Ein Problem ist natürlich der Wind. Die stärksten Böen werden bei Landgang auf das Griechische Festland im Sturm- bis Orkanbereich vorhergesagt. Die Prognosen bewegen sich zwischen 100 und 130 km/h. Die Böen von ?Zorbas? werden sich durch die Reibungsverluste aufgrund der Wechselwirkung mit dem Land bis zum Sonntag deutlich abschwächen. Ein weiteres sehr großes Problem stellt der Niederschlag dar. So werden über Teilen von Griechenland innerhalb von 24 h Mengen zwischen 200 und 500 l/qm vorhergesagt. Im Vergleich dazu: In Frankfurt am Main liegt die mittlere Jahresniederschlagssumme bei 650 l/qm.
Es ist also zu erwarten, dass Zorbas für sehr große Probleme in den betroffenen Regionen sorgen wird. Neben Windschäden, muss vor allem mit Überflutungen und Erdrutschen gerechnet werden. Im Laufe der weiteren Entwicklung wird sich der Medicane wieder in ein außertropisches Tief umwandeln und weiter nordostwärts ziehen.
Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.09.2018
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