Derzeit können aufgrund der Wetterverhältnisse sowohl am Morgen als auch am Abend vielerorts wieder faszinierende Himmelbilder beobachtet werden. Die untergehende Sonne strahlt mit voller Kraft vorüberziehende Wolkenfelder an und lässt diese orange oder rot erscheinen. Mit einer Skyline oder Bergen im Vordergrund werden dabei einige tolle Postkartenbilder erzeugt. Die Übergangsphase vom Tag zur Nacht wird somit zu einem eindrucksvollen Himmelsschauspiel.
Allgemein dauern der Übergang vom sonnenhellen Tag zur finsteren Nacht sowie der umgekehrte Fall mehrere Stunden an. Die Übergangszeit zwischen Tag und Nacht wird im Sprachgebrauch als "Dämmerung" (Morgen- bzw. Abenddämmerung) bezeichnet. Physikalisch beschreibt die Dämmerung den Zeitraum, in dem die Sonne unter dem Horizont steht, ihr gestreutes Restlicht jedoch am Himmel noch sichtbar ist. Vermehrte Staub-, Gas- und Eisaerosole in der Atmosphäre (bspw. Vulkanasche) können die "Dämmerung" dabei enorm verstärken.
In der Astronomie werden bei der "Dämmerung" je nach Dunkelheit drei unterschiedliche Arten definiert. Man unterscheidet dabei zwischen "bürgerlicher Dämmerung", "nautischer Dämmerung" und "astronomischer Dämmerung".
Ausgangspunkt für die Dämmerung ist der Sonnenuntergang, der in Mitteleuropa etwa 3 bis 4 Minuten vom ersten Kontakt der Sonnenscheibe mit dem Horizont bis zu ihrem vollständigen Verschwinden dauert. Danach spricht man zunächst von "bürgerlicher Dämmerung" bezeichnet, bei der bequem noch ohne künstliches Licht gelesen werden kann. Die Sonne steht bei der bürgerlichen Dämmerung entsprechend nicht tiefer als 6° unter dem Horizont, sodass noch ausreichend gestreutes Sonnenlicht den Beobachter erreicht. Dennoch sind am Himmel schon helle Planeten wie bspw. die Venus oder der Jupiter sowie die hellsten Sterne des Sirius zu erkennen. Zeitlich umfasst diese erste Phase je nach Breitengrad und Jahreszeit eine Länge zwischen 37 und 51 Minuten und bringt atemberaubende Erscheinungen wie den Erdschattenbogen (siehe Link 1), das Purpurlicht (siehe Link 2) sowie das Alpenglühen (siehe Link 3) am Horizont hervor.
An die "bürgerliche Dämmerung" schließt sich die "nautische Dämmerung" an. Sie endet sobald die Sonne 12° unter dem Horizont steht. Bei den meisten Aktivitäten wird nun zusätzliches künstliches Licht benötigt, da die restlichen gestreuten Sonnenstrahlen die Umgebung alleine nicht mehr ausreichend aufhellen. Am Himmel sind am Ende der nautischen Dämmerung schon kleinere Sterne und somit Umrisse der ersten Sternbilder zu erkennen. Gleichermaßen treten häufiger Himmelsspektakel wie die "farbigen Horizontalstreifen" - ein farbiger meist glutroter Streifen oberhalb weiter Bereiche des Horizonts, der bis zu 180 Grad betragen kann- oder die sogenannte "Blaue Stunde" -besondere Färbung des Himmels, während die Sonne etwa 4 bis 8 Grad unter dem Horizont steht- auf.
Der nautischen Dämmerung folgt die astronomische Dämmerung, bei der sich die Sonne 12 bis 18° unter dem Horizont befindet. Nachfolgend erreicht das Sonnenlicht auch die höheren Luftschichten nicht mehr, sodass der Himmel richtig dunkel erscheint. Die beste Zeit für Sternengucker beginnt. Am Morgen verlaufen die drei Phasen der Dämmerung in der umgekehrten Reihenfolge, bis die Sonne schließlich am Horizont aufgeht.
Wie oben schon beschrieben ist die Dauer der Dämmerung stark von der geographischen Breite abhängig. Je größer der Abstand zum Äquator, desto länger dauert die Dämmerung. Da die Sonnenbahn am Äquator am Morgen sehr steil aufsteigt und entsprechend stark am Abend auch wieder absinkt, verschwindet die Sonne rasch unter den Horizont. Je näher man jedoch den Erdpolen kommt, umso ausgeprägter wird der Dämmerungsverlauf zu bestimmten Jahreszeiten.
Wie überall gibt es aber auch bei der Dämmerung gewisse Ausnahmen. Am Tag der Sommersonnenwende geht die Sonne in den Polarregionen etwa ab einer geographischen Breite von 65,7° aufgrund der atmosphärischen Refraktion überhaupt nicht unter, sodass die Dämmerung komplett entfällt. Zudem gibt es im Sommer auf allen Breitengraden größer als 48,56° Nächte, in denen die Sonne zwar unter den Horizont sinkt, aber nie tiefer als 18°. In diesen Regionen wird es also nie richtig Nacht mit völliger Dunkelheit. Stattdessen herrscht eine Art Dauerdämmerung, die auch unter dem Begriff "Mitternachtsdämmerung" bekannt ist. Visuell ist diese Dämmerung für das menschliche Auge teilweise aber nicht zu erkennen. Auf den Breitengraden größer 54,56° gibt es im Sommer Nächte, in denen die nautische Abenddämmerung direkt in die nautische Morgendämmerung übergeht. Dies bedeutet gleichermaßen, dass die Sonne während der ganzen Nacht nicht weniger als 12° unter dem Horizont steht. Auf den Breitenbereichen größer 60,56°, wo die Sonne dann nicht unter 6° unter den Horizont sinkt, gilt ähnliches für die "bürgerliche Dämmerung".
Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.09.2018
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