Søren Jensen* genoss Mitte Oktober seinen Urlaub im kleinen Dorf Tafjord in Westnorwegen. Am Abend des 13. Oktober 2018 trat der Däne vor die Tür seines Ferienhauses. Vor dem Zubettgehen wollte er noch einmal frische Luft schnappen. Der Schein der entfernten Straßenlaternen spiegelte sich im Asphalt. Nieselregen spürte er in seinem Gesicht und das Thermometer zeigte 11 Grad. Alles war ruhig und kaum ein Lüftchen wehte. Er legte sich schlafen. Um 1:30 Uhr erwachte er, schlurfte in die Küche und trank ein Glas Wasser. Den Blick aus dem Fenster hätte er sich sparen können. Noch immer war es trüb und Sprühregen schlug sich als dünner Film auf der Fensterscheibe nieder. Alsbald schlief er wieder tief und fest, bevor er kurze Zeit später durch einen heftigen Schlag aus dem Schlaf gerissen wurde. Der Fensterladen prallte gegen die Hauswand. Jensen schwitzte unter seiner Daunendecke. Ein warmer Wind durchstrich in heftigen Böen das Zimmer. Jensen setzte sich in seinem Bett auf und musste erst einmal zu sich finden. Er blickte zur Uhr, die ihm suggerierte, es wäre kurz nach halb drei mitten in der Nacht. Immer noch war es dunkel draußen. Woher aber kamen die Wärme und dieser Sturm? Er schloss das Fenster und tapste zur Eingangstür. Das Quecksilber im Thermometer war auf 25 Grad gestiegen. Ein stürmischer Wind pfiff durch sein Haar. Am Himmel über sich konnte er zwischen den Wolken unzählige Sterne erkennen. All die dichten, tiefhängenden Wolken, der Sprühregen und die schlechte Sicht vom Abend zuvor waren verschwunden. Stirnrunzelnd legte er sich wieder schlafen.
Um 8 Uhr erwachte er. Bald würde die Sonne über den Horizont steigen. Hinter den Bergen war sie bereits zu erahnen. Es waren immer noch 25 Grad draußen und aus den Bergen wehte ein stürmischer Wind ins Tal.
Was Herr Jensen in der Nacht erlebte, erstaunte auch den einen oder anderen Meteorologen. Zwischen 2 und 3 Uhr früh mitten in der Nacht stieg die Temperatur innerhalb von nur einer Stunde um 14,2 Grad an. Um 2 Uhr wurden noch 10,9 Grad registriert, um 3 Uhr waren es bereits 25,1 Grad. Doch wie kam dies zustande? Die Bewohner der Alpen kennen dieses Phänomen nur zu gut. Anhand der Wetterdaten der Station Tafjord leuchtete uns Meteorologen sofort ein, dass dies nur im Zuge eines einsetzenden Föhns passiert sein konnte. Alle Wetterdaten deuteten eindrucksvoll darauf hin: Der Wind drehte von nördlichen Richtungen auf Südost und nahm schlagartig zu. Vor 3 Uhr wurden Böen zwischen 5 und 20 km/h registriert. Ab 3 Uhr blies der Wind stark bis stürmisch mit 65 bis 75 km/h. Die Luft trocknete aufgrund der Winddrehung ebenso rasch ab und die Wolken rissen auf. Die relative Feuchte sank von satten 95 Prozent innerhalb von nur einer Stunde auf 35 Prozent. Die beigefügte Grafik zeigt eindrücklich, wie sich die Wetterbedingungen mit einem Schlag änderten. Informationen zur Entstehung des Föhns finden Sie im Thema des Tages vom 10. September 2015.
Im Übrigen wurde die Tageshöchsttemperatur in Tafjord am 14. Oktober 2018 um 9 Uhr morgens erreicht. Mit 25,5 Grad wurde der Monatsrekord um nur 0,1 Grad verfehlt.
*Name und Geschichte frei erfunden
Dipl.-Met. Julia Fruntke
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.11.2018
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