Wie zum Jahresende üblich werden auch aktuell wieder Vorbereitungen für das große Feuerwerk getroffen. Mit Böllern und Raketen wird das neue Jahr begrüßt, laut und farbenfroh soll der Jahresübergang gestaltet werden. Dabei könnte übersehen werden, dass auch die Atmosphäre momentan dabei ist, alles für einen turbulenten Start ins neue Jahr bereit zu legen.
Denn die Hauptdarsteller des erwarteten Schauspiels bewegen sich schon seit geraumer Zeit auf der meteorologischen Bühne. Dies sind einerseits das Hoch IGNATIUS, welches in den Wetterkarten des heutigen Sonntags (30.12.) über Nordwestfrankreich und Südwestengland anzutreffen ist, und das (typisch männlich?) eine gewisse Jahresübergangsbehäbigkeit aufweist. Die zweite, deutlich mobilere Hauptrolle spielt das Tief ZEETJE, das die Bühne zurzeit nahe Island aufmischt und im Laufe des heutigen Tages dort Windgeschwindigkeiten bis zur vollen Orkanstärke auf den Bergen bringen soll.
Die meteorologische Standard-Dramaturgie ist ZEETJE dabei relativ egal, vielmehr scheint sie ein gewisses Improvisationstalent mitzubringen, schließlich ist ihre Zugbahn alles andere als gewöhnlich. Die Drehbücher der meisten Vorhersagemodelle lassen sie von Island über das europäische Nordmeer nach Nordskandinavien ziehen, wo sie genau zum Jahreswechsel ankommen soll. Danach, und das ist durchaus ungewöhnlich, dreht ZEETJE nach Süden ab um am Mittwoch den äußersten Westen Russlands zu erreichen.
Mit anderen Worten: ZEETJE legt in 3 Tagen etwa 4000 km zurück, während IGNATIUS (was "der Feurige" bedeutet), sich nicht wirklich brennend für Bewegung interessiert und es bis Mittwoch gerade mal zur Irischen See schafft (was so etwa 500 km Verlagerungsdistanz entspricht). Für uns entscheidend ist dabei, dass sich zwischen IGNATIUS über Westeuropa und ZEETJE über Osteuropa eine stramme Nordströmung einstellt.
Die "hohle Gasse", durch die die Kaltluft nach Süden muss, verläuft dabei vom Bottnischen Meerbusen bis etwa ins Böhmische Becken - so zumindest die aktuelle Vorstellung der Dramaturgen an den Großrechnern der Wetterdienste. Damit bekommen wir in Deutschland wohl nur einen arktischen Streifschuss ab, der vor allem die Osthälfte trifft, im Westen (und auch bei den Eidgenossen in der Schweiz) wird es zwar auch kälter, aber die Luft dort kommt "nur" vom europäischen Nordmeer, nicht aber aus polaren Breiten (vgl. angehängte Grafik).
Begleiterscheinungen des beschriebenen Schauspiels sind Niederschläge, die besonders den Osten Deutschlands betreffen und die mit und nach der Passage der Kaltfront von ZEETJE am Dienstag zunehmend in Schnee übergehen. Dazu bringt die quirlige Hauptdarstellerin, wie oben schon angedeutet, einen strammen Nordwind (die griechische Göttin Boreas lässt grüßen), der in Hochlagen und an den Küsten die volle Sturmstärke erreichen kann, und in exponierten Lagen ist sogar "noch etwas mehr drin".
Da könnte man sich an die Schneekatastrophe in Norddeutschland 1978/1979 erinnert fühlen, die sich in diesen Tagen zum 40ten Male jährt. Allerdings sind die erwarteten Neuschneemengen viel (!!) geringer als damals.
Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.12.2018
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