Das Zusammenspiel von Tief "Xaver" mit Kern über dem Mittelmeer zwischen Sizilien und Griechenland und dem kräftigen Hoch "Frauke" über Polen führt in der Balkanregion zu beachtlichen Luftdruckgegensätzen, die schließlich einen strammen Nordostwind generieren (vgl. Graphik 1). Zudem konnten auf der Ostseite von "Frauke" sehr kalte polare Luftmassen weit nach Süden vordringen. Die Geburtsstunde der sogenannten "Bora", einem kalten trockenen Fallwind an der istrischen und dalmatinischen Küste. Der Name stammt dabei aus dem griechischen und wird im deutschen als "kalter Windstoß" übersetzt.
Am heutigen frühen Samstagmorgen erreichte die Bora an der Adriaküste Kroatiens Windspitzen von 191 km/h an der Station Makarska (Koatien), in Split (Kroatien) waren es gleichzeitig noch 176 km/h. Im deutlich weiter südlich gelegenen Bar (Montenegro) wurden immerhin noch 119 km/h registriert (vgl. Graphik 2). Die hohen Windgeschwindigkeiten gehen dabei noch mit Temperaturen einher, die im Küstenbereich um den Gefrierpunkt, im Binnenland bei mäßigen Frostgraden lagen (vgl. Graphik 3). Der Windchill führte schließlich dazu, dass dort gefühlte Werte zwischen -9 bis -15, im Bergland teils bis -21 Grad erreicht worden sind.
Die Voraussetzung für die Entstehung von Bora-Winden ist ein weit nach Süden vorangegangener Kaltluftausbruch. Passt dann noch die Verteilung von Hoch- und Tiefdruckgebieten und somit der vorherrschenden Windrichtung kann die kalte schwere Festlandsluft vom höher gelegenen Binnenland zur Adriaküste hinab schießen. Trifft der Wind auf die vielen Schluchten zwischen den Gebirgsketten, wird er zusätzlich düsenartig verstärkt. Daher treten diese kalten Fallwinde auch hauptsächlich im Winter auf. Bei vergleichbaren Rahmenbedingungen können Bora ähnliche Wind neben der Ostküste der Adria noch an der russischen Schwarzmeerküste bei Noworossijsk, auf Nowaja Semlja, in Skandinavien und in der Kanto Ebene Japans vorkommen.
Die Bora kann insgesamt als regional begrenzter, sehr stürmischer und stark böiger Fallwind bezeichnet werden. In Einzelfällen sind dabei durchaus Spitzenwindgeschwindigkeiten bis zu 250 km/h möglich. Im Winter kann die Bora je nach Wetterlage bis zu 14 Tage anhalten, während die deutlich schwächere Schwester im Sommer meist nur wenige Stunden anhält.
Die meist starken Ereignissen im Winter beeinflussen natürlich auch das Leben in den betrachteten Regionen. Vor allem die Infrastruktur ist von den starken Windböen betroffen! Die wichtigste Autobahn des Landes, die das Inland mit den Küstenregionen verbindet, kreuzt einen der Hauptzüge der dinarischen Alpen, das Velebit. Dort, wo sie sich in Serpentinen den Berg hoch schlängelt, muss sie regelmäßig voll gesperrt werden, da selbst schwerbeladene LKWs nicht vor der Bora sicher sind und umgeweht werden. Aber auch im Flugverkehr und in der Industrie sind deutliche Einschränkungen zu verzeichnen.
Schon Karl Marx beschrieb im Jahre 1856 ein überwiegend zutreffendes Bild des kalten Fallwindes:
"Der Bora, der große Störenfried dieses Meeres, erhebt sich stets ohne das kleinste Warnungszeichen; mit der Gewalt eines Tornados überfällt sie die Seeleute und gestattet nur dem Kühnsten, auf Deck zu bleiben. Manchmal tobt sie wochenlang und am heftigsten zwischen der Bucht von Cattaro und dem Südende von Istrien. Der Dalmatiner aber ist von Kindheit an gewöhnt, ihr zu trotzen, er wird hart unter ihrem Atem und verachtet die armseligen Winde anderer Meere." [Der Seehandel Österreichs. In: Marx-Engels-Werke. Band 12. Dietz, Berlin (Ost) 1961, S. 88-94]
Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.02.2019
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