Der frühe Vogel fängt den Wurm...immer früher?!

Zum bevorstehenden Weltzugvogeltag blicken wir einmal auf diese reisefreudigen Tiere und wie sie bereits jetzt vom Klimawandel beeinflusst werden.


Die Liste der Gedenk- und Aktionstage ist lang. Gefühlt gibt es mittlerweile für alles Mögliche einen bestimmten Tag im Jahr, an dem man sich mit dem "Gedenkgegenstand" in welcher Form auch immer auseinandersetzen sollte. Über den Sinn und Unsinn lässt sich bei so manchem bestimmt diskutieren, bei dem des kommenden Wochenendes ist es aber sicherlich nicht falsch, mal kurz einen Gedanken darüber zu "verlieren". Wie jedes Jahr findet nämlich am zweiten (ganzen) Wochenende im Mai der Weltzugvogeltag statt. Dieser wurde 2006 von den Vereinten Nationen eingeführt, um auf die Gefährdung der Zugvögel (z.B. durch die Bedrohung bzw. das Verschwinden ihrer Lebensräume oder Wilderei) aufmerksam zu machen.

Zugvögel zeichnen sich bekanntermaßen dadurch aus, dass sie nicht ganzjährig an Ort und Stelle leben, sondern sich über die kalte Jahreszeit in Scharen in wärmere und vor allem nahrungsreichere Gefilde flüchten. Denn mit Würmern, Insekten, Fröschen und bei was Zugvögeln sonst noch so alles das Wasser im Schnabel zusammenläuft, sieht es im Winter ziemlich schlecht aus - zumindest was die gemäßigten und arktischen Breiten auf der Nordhalbkugel angeht. Im Frühjahr wendet sich das Blatt dann aber wieder und die Zugvögel machen sich auf die zum Teil mehrere 1000 km lange Reise nach Norden zurück in die Heimat, um dort schließlich zu brüten.

An dieser Routine wird nun aber mehr und mehr gerüttelt und zwar durch den Klimawandel. Durch ihn haben sich in den letzten Jahrzehnten die Rückflugzeiten der Vögel weltweit geändert. Sie kehren tendenziell früher in ihre Brutgebiete zurück. Beispielsweise wurde auf Helgoland zwischen 1960 und 2007 eine um im Mittel knapp sieben Tage frühere Rückkehr der dort durchziehenden Zugvögel beobachtet. Der Grund hierfür liegt auf dem Flügel (um im Vogelsprech zu bleiben): Durch insgesamt mildere (Spät-) Winter und wärmere Frühjahre legt auch die Natur früher los. Das damit verbundene erhöhte und verfrühte Nahrungsangebot ist natürlich nicht nur auf unsere gemäßigten Breiten beschränkt, sondern nahezu entlang der gesamten Flugrouten der Zugvögel zu finden, was von diesen offensichtlich gerne angenommen wird, getreu dem Motto: Zuhause ist' am schönsten!

Bei den Wegzugzeiten müsste man nun annehmen, dass durch im Mittel spätere Wintereinbrüche auch die Zugvögel erst später von dannen schreiten. Tatsächlich ist in dieser Beziehung kein wirklicher Trend ersichtlich. Zwar zieht mancher Vogel in der Tat später gen Süden, manch anderer macht sich aber sogar schon früher auf die Socken. Letzteres konnte vor allem in der Schweiz sowie auf den Britischen Inseln registriert werden. Ein Erklärungsansatz dieses auf den ersten Blick paradoxen Sachverhalts ist, dass manche Zugvögel wohl aufgrund ihrer verfrühten Rückkehr auch wieder früher aufbrechen, ähnlich der Vegetationsperiode mancher Pflanzen.

Auf Helgoland wurde dagegen beobachtet, dass sich einige Zugvögel mittlerweile über zwei Wochen länger in ihren Brutgebieten aufhalten als noch vor etwa 50 Jahren. Diese längere Verweildauer hat logischerweise zur Folge, dass länger und häufiger gebrütet werden kann, was einerseits zu einem größeren Bruterfolg, andererseits in Zukunft aber auch zu einem größeren Konkurrenzkampf nicht nur unter den Zugvögeln, sondern auch zwischen Zug- und Standvögeln führen kann. Dadurch könnten Vogelarten aus ihren bisherigen Verbreitungsregionen zurückgedrängt werden und sich in neuen Gebieten niederlassen.

Wenn Ihr Interesse an diesem Thema geweckt worden sein sollte, finden Sie über untenstehenden Link noch einiges mehr an Informationen. Für die nächste Reise unserer gefiederten Freunde bleibt dem Autor an dieser Stelle nur noch zu schreiben: Guten Flug!


Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.05.2019

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