Die Hitze kommt um zu bleiben! Eine in höheren Luftschichten einsetzende Südströmung führt heiße Luft aus Nordwestafrika bis nach Mittel- und Westeuropa. Mit Sonnenunterstützung steigen die Temperaturen bis zum Mittwoch auf Werte bis 40 Grad an. Gebietsweise tropische Nächte mit Werten über 20 Grad bringen dem Körper keine Entlastung.
Nachdem der Tiefdruckeinfluss auch im Süden zunehmend schwindet und die schwülwarme Luft nach Osten abgedrängt wird, kann das Hoch "Ulla" im Zusammenspiel mit Ihrem kongenialen Partner in der Höhe (Höhenhoch, Rücken) das Wetterregiment übernehmen. In Bodenniveau erstreckt sich Ulla am heutigen Sonntag schon von Island bis nach Polen sowie dem Baltikum und beeinflusst somit auch das Wetter in Deutschland nun nachhaltig.
Während sich das Höhenhoch zur Wochenmitte vom westlichen Mittelmeerraum bis zur Nord- und Ostsee ausbreiten kann, spaltet sich Hoch Ulla in einen westlichen Teil über dem Nordatlantik bei Island und einen östlichen Teil über der Ostsee und dem östlichen Mitteleuropa auf.
Weite Teile des Landes liegen demnach unter hochreichend hohem Luftdruck, der die Bildung von Quellwolken kaum zulässt. Lediglich im Nordwesten kann bodennah zum Mittwoch eine Tiefdruckrinne entstehen, deren Wetteraktivität von der Höhe jedoch jäh unterdrückt wird. Völlig ausgeschlossen sind Quellungen, die mit Gewittern einhergehen, ab Mittwoch jedoch nicht. Durch die sehr heißen Temperaturen kann mit Unterstützung der Berge vor allem im Süden die Entstehung dieser ausgelöst werden.
Die heiße Luft mit Temperaturen zwischen 30 und 40 Grad wird dabei auf einer Luft-Autobahn zwischen hochreichendem tiefem Luftdruck über dem Ostatlantik und dem besagten Höhenhoch von der westlichen Sahara über die Iberische Halbinsel und das westliche Mittelmeer hinweg bis nach Mittel- und Westeuropa gesteuert. Passen alle Rahmenbedingungen zusammen, sind an Ober- und Hochrhein, dem Rhein-Neckar-Raum sowie dem Rhein-Main-Gebiet sogar rekordverdächtige Werte um 40 Grad nicht völlig ausgeschlossen. Eine erhöhte Staub- und Sandkonzentration in der Luft sowie ein falsches Timing in der Zufuhr der maximalen Temperaturen von Süden können jedoch die Werte noch unter der 40-Grad-Marke belassen. Wie auch immer, für den Körper ist die angekündigte Hitze auf jeden Fall eine Tortur.
Dabei stellt die Schnittstelle zwischen Wetter bzw. Klima und der Medizin ein spannenden Forschungs- und Arbeitsbereich mit vielen Herausforderungen dar. Mit den Wechselwirkungen zwischen den atmosphärischen Prozessen und den lebenden Organismen (Pflanzen, Tiere und Menschen) befasst sich die Biometeorologie als interdisziplinäre Wissenschaft. Die zentrale Frage dieses Wissensbereiches ist also: Wie beeinflussen Wetter und Klima lebende Organismen?
Von besonderem Interesse ist ? wie bei der bevorstehenden Hitzewelle - der thermische Wirkungskomplex. Zu diesem Wirkungsbereich gehören alle Größen, die für den Austausch von Wärme zwischen dem lebenden Organismus und der ihn umgebenden Atmosphäre von Bedeutung sind. Die wichtigsten meteorologischen Größen sind dabei Lufttemperatur, Luftfeuchte, Windgeschwindigkeit und Strahlung. Für eine zahlenmäßige Erfassung und Einordnung des Wohlbefindens, der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit des Menschen ist es notwendig, die thermischen Umweltbedingungen des Menschen in einer physiologisch korrekten sowie wirkungsvollen und praktischen Weise aufzubereiten, darzustellen und weiterzugeben.
Damit die inneren Organe und das Gehirn eines Menschen optimal funktionieren können, muss die Körpertemperatur auf einem konstanten Niveau (~37°C) gehalten werden. Dafür sollten die Wärmeproduktion im Organismus und die Wärmeabgabe an die Umgebung über einen längeren Zeitraum im Gleichgewicht stehen. Vom Wärmegleichgewicht abweichende Bedingungen werden dem Menschen - über das Gehirn gesteuert - durch Frieren oder Schwitzen bewusst und führen so zu einer Anpassung des Verhaltens, z.B. durch Ablegen von Kleidung, Verminderung der Aktivität oder Aufsuchen von geschützten bzw. klimatisierten Räumen.
Die Temperatur der Haut und der Extremitäten können dabei jedoch abhängig von den Umgebungsbedingungen stark schwanken. Überschüssige Wärme gibt der Körper über die Haut an die Umgebung ab. Mögliche Prozesse sind beispielsweise die Konvektion (sensibler Wärmefluss), Strahlung (langwellige Strahlung) sowie die Verdunstung z.B. von Schweiß und Diffusion von Wasserdampf (latenter Wärmefluss). Gleichermaßen kann der Wärmehaushalt in einem bestimmten Maße auch über die Atmung (latenter und sensibler Wärmefluss) reguliert werden. Aufgrund des unterschiedlichen Stoffwechsels bei Menschen kann das thermische Empfinden in Abhängigkeit beispielsweise von Alter und Geschlecht variieren und ist somit lediglich eine subjektive Bewertung der Auswirkung der Umgebungsbedingungen auf den Zustand des Körpers.
Um das thermische Empfinden auf Basis der vorgefundenen Umgebungsbedingungen zu analysieren und vorherzusagen, wird auf verschiedene Konzepte zurückgegriffen. Ein weitverbreitetes Konzept basiert dabei auf der Betrachtung einer ?äquivalenten Temperatur?. Sie beschreibt in diesem Fall die Lufttemperatur, die in einer Referenzumgebung herrschen müsste, um das gleiche thermische Befinden wie in der aktuellen Umgebung (optimalen Zustand des Wärmehaushaltes des Körpers) hervorzurufen. Der Vergleich der äquivalenten Temperatur zur Lufttemperatur erschließt sich häufig selbständig, besonders in Hinsicht auf extreme Bedingungen (Hitze, Kälte).
Der Deutsche Wetterdienst betreibt darauf aufbauend als thermisches Bewertungsverfahren das sogenannte ?Klima-Michel-Modell?. Dabei greift er auf die ?gefühlte Temperatur? als eine Variante der äquivalenten Temperatur zurück, die die Anpassung der Bekleidung an die aktuellen thermischen Bedingungen berücksichtigt. Allerdings gelten die Bewertungen jeweils nur für einen aufrecht stehenden Menschen. Der Klima-Michel beschreibt bei der Bewertung einen Norm-Menschen. Dieser erbringt eine Arbeitsleistung von 172,5 Watt bzw. 135 Watt pro Quadratmeter Hautoberfläche. Dies entspricht dem Zustand ?Gehen? mit etwa 4 km/h in der Ebene. Gleichermaßen ist die Bewertung an den Außenbedingungen ausgerichtet, sodass der ?Michel?, um sein thermisches Gleichgewicht herzustellen, seine Kleidung zwischen einer sommerlichen und winterlichen Variante variieren kann. Die sommerliche Kleidung entspricht beispielsweise einer leichten langen Hose, einem kurzärmeligen Hemd und Sandalen.
Nach derzeitigem Stand bleiben vor allem in der Mitte und im Süden die heißen Temperaturen zwischen 30 und 38 Grad mit allen Einflüssen auf den Körper bis über das Wochenende hinweg erhalten. Angenehmer soll es von Donnerstag bis Sonntag bei Zufuhr etwas kühlerer Nordseeluft nur im Norden werden.
Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.06.2019
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