Siebenschläfer - sieben Wochen Wettergarantie?


Jedes Jahr beschäftigt uns die Frage: Wie beständig sind Wetterlagen, die sich um den heutigen Siebenschläfer-Tag herum einstellen? Fällt der Sommer ins Wasser oder kommen wir aus dem Schwitzen nicht mehr heraus? Dass mittel- und langfristige Wetterlagen von sehr vielen Faktoren gleichzeitig abhängen, wird im Folgenden erläutert.


Zunächst einmal beginnen wir mit der Definition des Begriffs Siebenschläfer aus dem Wetterlexikon des DWD:
https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/lexikon_node.html (Stichwort Siebenschläfer). Unter dem Link sind zunächst die wesentlichen Faktoren, die zu diesem so genannten meteorologischen Lostag führen, erklärt. Das ist auf der einen Seite die Verschiebung zwischen Gregorianischem und Julianischem Kalender, die den Zeitraum von rund 10 Tagen in den rechten Zusammenhang rückt (27.Juni bis 08.Juli). Des Weiteren wird die Lage des Jet-Streams (Starkwindband in der oberen Atmosphäre) über dem Ostatlantik und Europa sowie die damit einhergehenden möglichen Wetterlagen über Europa dargestellt. Die Eintrittswahrscheinlichkeit nach diesem Lostag bzw. des Zeitraums liegt im Übrigen bei immerhin rund 60 Prozent.

Aber warum stellen sich genau zu diesem Zeitpunkt nicht selten persistente Wetterlagen über mehrere Wochen ein? Ja, im Sommerhalbjahr sind oft die Temperatur- und Druckunterschiede zwischen den Azoren (Azorenhoch) und Island (Islandtief) schwächer ausgeprägt als im Winterhalbjahr. Wenn der Druckunterschied hoch ausfällt, ist in der Regel auch der Temperaturunterschied entsprechend hoch. Damit kann sich der Jet-Stream überhaupt erst ausbilden. Das ist meist dann der Fall, wenn der Wärme- und Impulsfluss von Süd nach Nord erfolgt. Mit der Höhe nimmt der Wind aufgrund sich verschärfender Temperaturunterschiede von Süd nach Nord entsprechend zu. Dann kann sich durch die Erddrehung die bei uns vorherrschende westliche Strömung einstellen, die bei uns in der Regel für wechselhafte Verhältnisse sorgt.

Diese Verhältnisse spiegeln sich im sogenannten Index der Nordatlantischen Oszillation (NAO, siehe DWD-Lexikon, Stichwort NAO) wider. Dieser wird bestimmt durch den Druckunterschied zwischen den Azoren einerseits und Island andererseits. Bei positivem NAO herrscht in unseren Breiten überwiegend westliche Strömung mit wechselhaftem Wetter vor, da die Tiefdruckgebiete dann weiter nach Süden vordringen. Im umgekehrten Fall (also bei einem negativem NAO-Index) schafft es das Azorenhoch mit seinen Ausläufern, häufiger nach Mitteleuropa vorzudringen.
Nun ja, der NAO Index ist derzeit nahezu neutral (fast 0), was uns sagt, dass die Temperatur- und Druckunterschiede zwischen Süd und Nord nahezu fehlen, die Wärme- und Impulsflüsse also eher ungleichmäßig verteilt sind.
Dazu kommen noch weiterhin bestehende Temperaturanomalien bei den Meeresoberflächentemperaturen im Atlantik (siehe folgenden Link, Meeresoberflächentemperaturen-Anomalien von Mai 2019: https://iridl.ldeo.columbia.edu/maproom/Global/Ocean_Temp/Anomaly.htm l), die für zusätzliche blockierende Wetterlagen innerhalb der Strömung sorgen und so die West-Ost-Verlagerung von Druckgebilden zumindest verlangsamen (siehe Thema des Tages vom 13.06.2019). Auch die Prognosen für die Entwicklung des NAO-Index gehen eher von Werten leicht unter oder leicht über null aus, d.h. von ähnlichen Strömungsverhältnissen.
Eine weitere Methode für die erweiterte Mittelfrist sind Analysen der Wärme- und Impulsflüsse sowie der Verteilung tiefen Luftdrucks bis hinauf in die hohe Atmosphäre. Dort sieht man nun für die nächsten zwei Wochen schon eine Aktivierung der Tiefdruckaktivität zwischen 50 und 70 Grad nördlicher Breite (natürlich für diese Breitengrade zonal (gemittelt über alle Längengrade für diesen Breitengrad).

Eine wenngleich auch schwache Korrelation kann man ebenso sehen für die derzeit positive Phase der südlichen Zirkulation (EL Nino, Warmphase). Theoretisch ist nachgewiesen, dass bei positiver Phase dieser Zirkulation der Polarwirbel gestärkt wird, weil ein zusätzlicher Temperaturunterschied (Süd-Nord) über den äquatorialen Anteil des Atlantiks in die NAO-Zirkulation gebracht wird. Leider sind aufgrund der oben angeführten anderen Faktoren derzeit auch gegenteilige Prozesse wirksam.

So, was können all diese Faktoren für unser Wetter der nächsten Wochen bedeuten?

Insgesamt ist vor allem für die Nordhälfte in den nächsten Wochen zumindest zeitweise Tiefdruck-Einfluss zu erwarten, was verbunden ist mit gelegentlichen Niederschlägen und auch mal kühlerem Wetter. Insgesamt dürfte aber die Niederschlagsausbeute selbst im Norden nur ausgeglichen bzw. nach Osten hin auch leicht zu trocken ausfallen. Auch das Temperaturniveau wird eher über den Normalwerten liegen. Für die Südhälfte erwarten wir häufige Hochdruckwetterlagen mit teils heißem bis sehr heißem Wetter. Niederschläge dürften dort eher Schauer- und Gewittercharakter haben und somit nicht jeden treffen. Die Niederschlagsbilanz wird also auch dort in der Fläche eher negativ ausfallen.

Allerdings ist der diesjährige Siebenschläfer kein klassischer Lostag, da in den oben genannten Prognosen einerseits naturgemäß recht viel Unsicherheit steckt und andererseits auch die eine stationäre Lage über Wochen hinweg derzeit zwar nicht erkennbar, aber durchaus möglich erscheint. Anhaltspunkte dafür sind weiter oben gegeben.


Dr. rer. nat. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.06.2019

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