Sind Aktien etwa wetterfühlig? Kann das Wetter tatsächlich die Kurse an der Börse beeinflussen? Im zweiten Teil zu diesem Thema werden weitere Wetterfaktoren aufgezeigt, die unter Umständen Einfluss auf die Börse und die dort gehandelten Wertpapiere nehmen.
Auf den großen Börsenparketten in den Finanzzentren der Welt geht es zurzeit drunter und drüber. Teilweise herrscht große Verunsicherung, unter anderem aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Abkühlung sowie politischer Konflikte. Andererseits zieht die vorherrschende Niedrigzinspolitik Groß- als auch Kleininvestoren magisch an, was die Preise für Aktien steigen lässt. Aber nicht nur die Wirtschaft und die Politik beeinflussen die Aktienkurse. Auch das Wetter spielt dabei eine Rolle.
Der weitreichende Einfluss des Wetters ist immer wieder faszinierend. Vom Kleinbauern und Hobbysportler bis zum Katastrophenschutz beeinflusst uns das Wetter tagtäglich. Selbst am Aktienmarkt kann man die Auswirkungen des Wetters spüren. Wie bereits in Teil 1 dieses Artikels
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2019/7/17.html) beschrieben, gibt es zahlreiche Studien dazu, wie sich das Wetter auf die Stimmung der Anleger und "Market Maker" und somit auch auf den Börsenhandel auswirken kann.
Ein offensichtlicher Grund sind die vorherrschenden Wetterbedingungen vor Ort. Wegen extremen Witterungsbedingungen konnte eine Wertpapierbörse in der Vergangenheit durchaus auch mal geschlossen bleiben. Der New Yorker Stock Exchange (kurz: NYSE) blieb seit 1885 immerhin schon 23 Mal wegen Schneestürmen, Hitze- und Kältewellen oder auch aufgrund einzelner Hurrikans geschlossen. Zuletzt sorgte übrigens Hurrikan Sandy im Oktober 2012 nicht nur für erhebliche Schäden in New York, auch die NYSE blieb erstmals seit einem der heftigsten Blizzards der Region im Jahr 1888 für zwei Tage in Folge geschlossen.
Aber nicht nur die Börsen, auch die Kurse einzelner Wertpapiere können teilweise stark vom Wetter beeinflusst werden. Ein langer, harter Winter in Europa mit teils heftigen Schneefällen treibt beispielsweise die Nachfrage von Streusalz massiv in die Höhe. In der Folge greifen Anleger gerne mal bei Aktien von Streusalzproduzenten zu, wie beispielsweise bei der K+S AG oder den Südwestdeutschen Salzwerken. Auch das Geschäft der Reifenbranche läuft dann auf Hochtouren. Zudem wird viel geheizt, somit treibt die steigende Nachfrage den Heizölpreis in die Höhe. In der Folge ziehen die Aktienkurse an - je mehr ein Unternehmen von den Geschäften mit Streusalz, Reifen, etc. profitiert, desto stärker steigt die Aktie. Aber nicht nur K+S oder Continental können von einem harten Winter profitieren. Anleger, die auf etwas ausgefallenere Aktien stehen, kaufen auch Schweizer Bergbahnaktien wie Jungfraubahn Holding oder Engelberg-Truebsee-Titlis.
Aber nicht alle profitieren von solchen winterlichen Wetterkapriolen. Schwere Schneefälle beispielsweise in Frankfurt am Main, machen der Lufthansa deutlich zu schaffen. Die Zeche, die aufgrund von Flugausfällen entsteht, muss von den Aktionären mitgetragen werden. Auch die Aktie des Betreibers von Deutschlands größtem Flughafen, die Fraport-Aktie, wird in solchen Fällen in Mitleidenschaft gezogen, wenn auch nicht ganz so stark, wie die Aktie der Lufthansa.
Im vergangenen Jahr 2018 stellte sich bei unterdurchschnittlichen Regenmengen über mehrere Monate hinweg eine große Dürre in Deutschland ein. In der Folge führten viele Gewässer über lange Zeit nur noch wenig Wasser. In neun der fünfzehn größten Flüsse in Deutschland herrschte an über 100 Tagen extremes Niedrigwasser. Dies war nicht nur für die Natur eine extreme Belastung. Auch Unternehmen, die zumindest teilweise von der Binnenschifffahrt abhängig sind, machte das Niedrigwasser zu schaffen. Am Rhein mussten vor allem ThyssenKrupp und die BASF die Produktion teilweise erheblich drosseln. Denn trotz der andauernden Hitze und dem gesunkenen Rheinpegel sind gesetzliche Vorschriften in Kraft, wonach nur eine begrenzte Menge an Kühlwasser aus dem Rhein entnommen werden darf. Zudem kam es zur Begrenzung des Warentransports über den Rhein. Die anliefernden Frachter konnten aufgrund des Niedrigwassers nur noch einen Bruchteil der zur Produktion benötigten Rohstoffe anliefern, teilweise musste auf alternative Verkehrsträger ausgewichen werden. Dadurch stiegen auch die Transportkosten im gleichen Zeitraum massiv an, was sich wiederum in der Bilanz der jeweiligen Unternehmen niederschlug.
Aber nicht nur Firmen bekamen die Auswirkungen des Niedrigwassers zu spüren. Auch die Benzinpreise zogen in dieser Zeit mächtig an. Von Aachen über das Rheinland bis nach Österreich sahen sich einzelne Tankstellen sogar gezwungen zu schließen, da ihnen schlichtweg der Nachschub an Sprit fehlte.
Der Einfluss des Wetters hängt auch mit dem Radius zusammen, in dem ein Unternehmen agiert. Denn je kleiner sich dieser Radius darstellt, desto empfindlicher reagiert die Aktie des Unternehmens auf lokale Wetterereignisse. Klar ist aber auch, dass der Einfluss des Wetters auf die Aktienkurse meist sehr beschränkt und eher von kurzfristiger Natur ist. Langfristig spielen sicherlich andere, komplex zusammenhängende Faktoren, wie Unternehmensstrategie, die Rentabilität, das Branchenumfeld usw. eine maßgebliche Rolle.
MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.08.2019
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