Einfluss der variablen Sonnenaktivität auf die Erdatmosphäre, Teil 2

Im heutigen zweiten Teil werden konkrete Beispiele zum Thema aus der Vergangenheit anhand von Klimasimulationen gezeigt. Außerdem wagen wir nochmals einen Blick auf den kommenden Winter, mit Hinblick auf das aktuelle solare Minimum.

Bevor wir mit dem zweiten Teil beginnen, soll noch die globale stratosphärische Zirkulation benannt werden, die im gestrigen Thema des Tages vom 26.10.2019 angedeutet wurde: es geht um die Brewer-Dobson-Zirkulation, bei der durch die stärkere Erwärmung der tropischen Stratosphäre (siehe Teil 1) eine polwärts gerichtete Bewegung der Luftmassen in Gang kommt und dadurch u.a. auch stratosphärisches Ozon zu den Polen transportiert wird.

Nun wollen wir zunächst zurück in die Erdgeschichte schauen und eventuelle Schwankungen des Klimas anhand eines Beispiels versuchen zuzuordnen. Man sagt ja immer so lapidar: Wenn man die Zukunft verstehen will, muss man in die Vergangenheit schauen. Aber ist dem wirklich so, oder müssen wir vielmehr versuchen die komplexen Veränderungen zu verstehen?

Ein gutes Beispiel, um den Bezug zu verdeutlichen, ist die kleine Eiszeit in Mitteleuropa im 16. und 17.Jahrhundert, die mit dem so genannten Maunder-Minimum der Sonnenaktivität zusammenfällt, das um das Jahr 1600 einsetzte.

Zwei Studien aus dem Jahre 2011 haben zwei höchst unterschiedliche Werte für die Sonneneinstrahlung im Maunder-Minimum ermittelt. Die eine kommt zu dem Schluss, die solare Strahlungsintensität sei damals sehr viel geringer als heute gewesen. Die andere hat zum Ergebnis, die Sonnenintensität sei in jener Zeit lediglich genauso gering gewesen wie im außergewöhnlichen Sonnenminimum 2008/2009 (siehe Grafik https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2019/10/26.html<br/>). Konkret wurde ermittelt, wie sich diese sehr unterschiedlichen Werte für die Sonneneinstrahlung auf die Temperaturen der Nordhalbkugel in den vergangenen 1.000 Jahren ausgewirkt haben.

Hierfür speisten die Forscher die Daten zur solaren Strahlungsintensität in ein Klimamodell ein, also in ein komplexes Gleichungssystem, das im Computer die wichtigsten Klimaprozesse in den Weltmeeren und in der Atmosphäre simuliert. Es berücksichtigt dabei auch die Treibhausgaskonzentration und den kühlenden Effekt von Schwefelsäuretröpfchen aus Vulkanausbrüchen. Die im Modell berechneten Temperaturen verglichen die Forscher dann mit den aus natürlichen Klimaarchiven wie Eisbohrkernen, Baumringen, Sedimenten und Korallen rekonstruierten Temperaturen des letzten Jahrtausends.

Das Ergebnis: Die Werte aus der Studie, die eine extrem geringe Sonneneinstrahlung in der kleinen Eiszeit fand, führten in der Modellrechnung zu Temperaturen, die deutlich unter den tatsächlich beobachteten liegen. Die Werte der anderen Studie hingegen, die keinen großen Unterschied zwischen der Strahlungsintensität damals und dem jüngsten Sonnenminimum sieht, führten im Modell zu wirklichkeitsnahen Temperaturen (siehe auch Geophysical Research https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1029/2011GL048529<br/>).

So, zurück in die Zukunft oder erweiterte Gegenwart: Momentan befinden wir uns ja erneut in einem Minimum der Sonnenaktivität, das ungefähr dem von 2009 entspricht. Was bedeutet das z.B. für den kommenden Winter auf der Nordhalbkugel? Wie bereits im gestrigen Thema des Tages vom 26.10.2019 angedeutet, könnte die Sonnenaktivität bei der gegebenen Pattsituation anderer Antriebe (QBO (Quasi-Biennale Oszillation, siehe Teil 1 Thema des Tages vom 26.10.2019), ENSO (El NinJo-Southern Oszillation, siehe Link unten), NAO (Nordatlantische Oszillation, siehe Link unten), Meeresoberflächentemperaturen) im Klima-Roulette eine kleine Rolle spielen. Die Betonung liegt auf kleine, da die positiven Temperaturanomalien weltweit und insbesondere der Meeresoberflächen einer Abkühlung durch verstärkten meridionalen Transport kalter Luftmassen aus polaren Breiten entgegenwirken. Von daher wird das Ergebnis in diesem Winter voraussichtlich gemischte Gefühle hervorrufen: Ja, er wird voraussichtlich kälter als die letzten Winter in West- und Mitteleuropa ausfallen, aber wohl trotzdem im Klimamittel normal bis leicht zu mild bleiben.

Und letztendlich wird es aufgrund der verschiedenen komplexen und teilweise gegenläufigen Einflüsse diverse Überraschungen geben, die wortwörtlich in der Natur der Sache liegen.


Dr. rer. nat. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.10.2019

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