Die hydraulische Föhntheorie: Ein moderner(er) Ansatz

Föhnsturm herrscht derzeit in den Alpen! Die altbekannte Schulbuchtheorie lässt einen bei der Beschreibung von Föhn im Allgemeinen schnell im Stich. Aufschluss bietet eine andere Föhntheorie.

Im Thema des Tages vom vergangenen Mittwoch (20.11.2019, siehe https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2019/11/20.html) wurde die klassische Föhntheorie vorgestellt. Kurz zusammengefasst geht es bei ihr darum, dass Luft senkrecht auf ein Gebirge trifft, zum Aufstiegen gezwungen wird und dabei mit 1 K pro 100 m abkühlt. Irgendwann bilden sich Wolken und es beginnt zu regnen, wobei die Luft nun nur noch mit 0,65 K pro 100 m Aufstieg abkühlt. Am Gipfel angekommen, strömt sie auf der Leeseite (der windabgewandten Seite des Gebirges) herab und erwärmt sich dabei, wodurch es zur Wolkenauflösung kommt. Die Erwärmung beim "Abstieg" erfolgt nun mit 1 K pro 100 m.

Eigentlich ja recht simpel. Nun gibt es allerdings Statistiken, die zeigen, dass beispielsweise in Innsbruck mindestens 50 % der dort in einer Studie untersuchten Föhnfälle ohne Niederschläge einhergingen, zu einem geringen Teil kam es sogar nicht einmal zur Wolkenbildung. Da das der klassischen Föhntheorie widerspricht, wurden neue Theorien entwickelt.

Dazu zählt die sogenannte hydraulische Föhn-Theorie. Bei ihr geht man davon aus, dass die Luft, die auf ein Gebirge trifft, nicht aufsteigt, sondern geblockt wird und im Luv (also auf der windzugewandten Seite des Gebirges) liegen bleibt und langsam auskühlt. Die im bzw. oberhalb des Bergkammniveaus heranströmende, deutlich trockenere Luft fällt dagegen nach Überquerung des Gebirgskamms ins Tal ab und erwärmt sich dabei um 1 K pro 100 m. Das kann man sich vorstellen wie in einem randvollen Stausee, bei dem nur die oberste Wasserschicht über die Staumauer in die Tiefe schwappt.

Stellt sich noch die Frage, wie es zu den mitunter hohen Windgeschwindigkeiten auf der Leeseite eines Gebirges kommt. Betrachten wir daher einfach mal ein Luftpaket, das gerade über dem Gipfel angekommen ist. Dieses Paket besitzt eine gewisse Energie, die sich hauptsächlich aus seiner Lage- und seiner Bewegungsenergie zusammensetzt. Die Lageenergie hängt dabei von der Höhe (also der vertikalen Lage) des Pakets ab und die Bewegungsenergie stark von dessen Geschwindigkeit. Strömt das Paket nun den Berg hinab, nimmt seine Höhe und damit auch seine Lageenergie ab. Da seine Gesamtenergie aber gleichbleiben muss (Stichwort Energieerhaltung), muss im Umkehrschluss seine Bewegungsenergie zunehmen und damit seine Geschwindigkeit.

Verstärkt werden kann dieser Effekt u.a. noch durch das dortige Gelände. Muss unser Luftpaket unterwegs noch einen engen Gebirgspass durchströmen, entsteht eine Art Düseneffekt (Stichwort Venturi-Effekt) und es kann vorübergehend noch einmal deutlich mehr Gas geben. Zusätzliche Fahrt aufnehmen kann das Luftpaket außerdem auch dann, wenn es beispielsweise aus einer engen Schlucht hinaus in ein weites Tal schießt. Es möchte nämlich dann gerne den neu gewonnenen Platz nutzen und weitet sich daher aus. In der Folge büßt es aber auch an Höhe ein, wodurch seine Lageenergie abnimmt uuuuund, genau, seine Bewegungsenergie und somit seine Geschwindigkeit steigt.


Diese Beschreibung wurde an dieser Stelle natürlich nur sehr grob gehalten. Deutlich detailliertere Informationen zu dieser und weiteren Föhn-Theorien finden Sie in unserem Wetterlexikon unter www.dwd.de/lexikon, Stichwort "Föhn".

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.11.2019

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