Jeder kennt es, man isst etwas Scharfes und sogleich folgt ein Hitze- und Schweißausbruch. Aber kann scharfes Essen im Winter wirklich der Kälte entgegenwirken?
Seit jeher würzen die Menschen ihre Speisen, um mehr oder besseren Geschmack zu erzeugen. Archäologische Funde belegen die Verwendung von Gewürzen in Nahrung seit über 6000 Jahren. Mit Beginn der Welterkundung durch Christoph Columbus verteilten sich die Gewürzpflanzen über den ganzen Globus und so kam auch die Chilischote nach Deutschland.
Das in der Chilischote enthaltene Capsaicin ist ein Alkaloid. Es ist geschmacklos und löst sich in Fetten und Alkohol, aber nicht in Wasser. Den Schärfegrad einer Chilischote gibt man in Scoville-Einheiten an. Diese gehen auf den amerikanischen Wissenschaftler Wilbur Scoville zurück, der Anfang des 20. Jahrhunderts versucht hat, den eher subjektiven Grad von Schärfe in eine objektive Skala zu bringen. Die Scoville-Skala reicht von 0 bis 16 Millionen und gibt an, wie viele Tropfen Wasser zur Neutralisierung eines Tropfens einer scharfen Substanz benötigt werden.
Da Capsaicin nicht wasserlöslich ist, sollte man zum "Entschärfen" auf fettige oder hochprozentige Gegenmittel zurückgreifen. Der in Milch enthaltene Wirkstoff Casein bindet das Capsaicin und schafft so Linderung. Wasser hingegen sorgt nur für eine weitere oder erneute Verteilung des Schärfewirkstoffs und bewirkt somit das Gegenteil.
Capsaicin hat, wie bereits oben erwähnt, keinen Geschmack, es sorgt lediglich für eine Reizung der Nervenenden, die normalerweise auf Schmerzreize durch die Einwirkung von Hitze reagieren. Wenn wir also etwas scharfes Essen oder Trinken, spürt unser Körper Schmerz. Die Reizung der Nervenenden führt zu einer erhöhten Durchblutung des Gewebes und zu einer Ausschüttung von Glückshormonen. Daher findet Capsaicin auch Verwendung in der Medizin, beispielsweise in Wärmepflastern, aber auch zur Desensibilisierung von Schmerzpatienten.
Die erhöhte Durchblutung bei der Aufnahme von Capsaicin sorgt für einen Anstieg der Körpertemperatur. Wer jetzt aber denkt, scharfes Essen im Winter wirke dem Kältegefühl entgegen, der irrt, denn der Anstieg der Temperatur wird vom Körper mit Schweißbildung bekämpft. Die Verdunstung des Schweißes auf der Haut, also dem Übergang vom flüssigen in den gasförmigen Zustand, benötigt Energie. Diese wird sowohl dem Schweiß als auch der Haut und der Luft in Form von Wärme entzogen und im Ergebnis empfinden wir Kälte. Der Einsatz von scharfem Essen gegen Kälteempfinden bringt also nur kurz die gewünschte Erwärmung, bevor die Kälte doppelt "zurückschlägt". In den tropischen und heißen Regionen der Erde wird die abkühlende Wirkung von scharfem Essen sehr geschätzt. Dort fehlt in fast keinem Essen die Zugabe von Capsaicin enthaltenden "Scharfmachern".
Wer sich mit Nahrung von innen wärmen möchte, der sollte auf Suppen oder Eintöpfe setzen. Nach der traditionellen chinesischen Medizin wärmen vor allem Rote Bete und Kürbis, aber auch Kohl, Lauch und Süßkartoffeln, Zwetschgen, Rosinen und Kirschen. Bei Tees empfehlen sich besonders Fenchel und Anis. Pfefferminztee hingegen wirkt eher kühlend.
Dipl.-Met. Jacqueline Kernn
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.01.2020
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