BIANCA - die Weiße!

Tief BIANCA brachte einigen Regionen Deutschlands gestern und in der vergangenen Nacht den ersten Schnee des Winters. Im Süden machte sie auch mit Sturm auf sich aufmerksam.

BIANCA - so heißt das Tief, das am gestrigen Donnerstagnachmittag und in der vergangenen Nacht über die Mitte Deutschlands wirbelte und für allerhand Wetterkapriolen sorgte. Sie machte ihrem Namen alle Ehre, dieser stammt nämlich vom italienischen Wort "bianco" (zu Deutsch: weiß) ab, "Bianca" bedeutet also "die Weiße". Tatsächlich bescherte BIANCA manchen Regionen Deutschlands das erste "Weiß" des Winters, und das gerade noch rechtzeitig, denn am kommenden Sonntag ist bereits meteorologischer Frühlingsanfang.

Bis vor zwei Tagen gab es noch Unsicherheiten, wo genau Tief BIANCA über die Mitte Deutschlands ziehen würde (siehe Thema des Tages vom 26. Februar), wenngleich die Unterschiede zwischen dem amerikanischen Modell GFS, dem deutschen Modell ICON und dem europäischen Modell IFS zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr so groß waren. GFS ließ das Tief nur etwa 100 km weiter nördlich durchziehen als ICON, doch schon diese geringen Unterschiede wären fürs Wettergeschehen nicht unerheblich gewesen. So würde es bei der nördlicheren Zugbahn im Rhein-Main-Gebiet heftig stürmen, während bei der ICON-Variante dort nur ein laues Lüftchen wehen würde. Auch für Niederschlagsphase (Regen oder Schnee) wäre die Zugbahn entscheidend. In diesem Fall hatten ICON und IFS den richtigen Riecher. Das Zentrum von Tief BIANCA erreichte am Nachmittag das Saarland und zog am Abend und in der Nacht über den Norden Baden-Württembergs weiter zur Oberpfalz.

BIANCA lud eine ordentliche Packung Schnee ab. Sie schob nämlich eine Warmfront mit einem ausgedehnten Niederschlagsgebiet vor sich her, das sich an der Nordseite des Tiefkerns um das Tief wickelte. Und dieser Niederschlag fiel - man mag es in diesem Winter kaum glauben - tatsächlich überwiegend als Schnee! Bereits am Mittag setzte im Westen Schneefall ein. In tieferen Lagen regnete es zunächst noch, doch die Niederschlagsabkühlung sorgte dafür, dass die Schneefallgrenze allmählich bis in die Niederungen sank. Während es an Rhein und Mosel meist nur für eine dünne Matschschneedecke auf Dächern und Wiesen reichte oder der Schnee(regen) gar nicht so richtig liegenbleiben wollte, wurde es in der Eifel, dem Hunsrück und dem Pfälzerwald oberhalb von 200 bis 300 m tief winterlich. Dort kamen bis zum Abend innerhalb weniger Stunden 10 bis 15 cm, stellenweise auch um 20 cm Neuschnee zusammen. Am Nachmittag begann es dann auch im Taunus, in der Rhön und in den fränkischen Mittelgebirgen sowie in Baden-Württemberg kräftig an zu schneien. Später wurde es selbst am Mittelrhein weiß.

Auch die Meteorologen der Vorhersage- und Beratungszentrale in Offenbach (den Autor eingeschlossen) blickten am Nachmittag gebannt aus dem Fenster. Gegen 17 Uhr war es dann endlich soweit: Der Schnee blieb liegen und somit konnten die Mainzer, Frankfurter und Offenbacher die erste dünne Schneedecke dieses Winters im Rhein-Main-Gebiet bestaunen.

Ab dem Abend wurde es auch im Norden und Osten Bayerns und in Teilen von Thüringen bis in die Täler weiß. In den Mittelgebirgen türmten sich die Schneemassen vielerorts auf 10 bis 20 cm. Bei Autofahrern im abendlichen Berufsverkehr kam allerdings keine Freude auf. Winterliche Straßenverhältnisse hatten zahlreiche Staus auf den Autobahnen zur Folge. LKWs stellten sich quer, am späten Abend stockte der Verkehr auf der A9 nordöstlich von Nürnberg zeitweise auf einer Länge von etwa 40 Kilometern.

Doch BIANCA hatte noch mehr als nur Schnee zu bieten. Südwestlich des Tiefkerns tobte ein heftiger Sturm. Am Abend und in der Nacht kam es in großen Teilen von Baden-Württemberg sowie in der Südhälfte Bayerns verbreitet zu schweren Sturmböen. Gebietsweise wurden sogar orkanartige Böen gemessen (z.B. am Oberrhein, in der Bodenseeregion und im Alpenvorland), auf den Höhen der Alb sowie im Chiemgau traten sogar Orkanböen über 120 km/h auf. Umgestürzte Bäume und blockierte Straßen und Bahnlinien waren die Folge. Über die Schwarzwaldgipfel fegten am Abend sogar extreme Orkanböen (siehe auch Liste am Ende). Dadurch kam es in den Hochlagen der südlichen Mittelgebirge sowie in den Alpen auch zu Schneeverwehungen. Zu guter Letzt bildeten sich in Bayern und Baden-Württemberg sogar einige Gewitter mit "schneesturmartigen" Verhältnissen.

Mittlerweile ist BIANCA nach Osteuropa abgezogen und das Wetter hat sich wieder beruhigt. Der Schnee wird nur ein kurzes Gastspiel gewesen sein. Schon heute Abend zieht von Westen her eine massive Warmfront auf und schaufelt sehr milde Luft nach Deutschland. Zu Beginn kann es im Bergland nochmal kurzzeitig schneien, allerdings steigt die Schneefallgrenze rasch bis in die Gipfellagen der Mittelgebirge. Am morgigen Samstag ist bei Temperaturen von 9 bis 17 Grad das Winterintermezzo wieder zu Ende.

Zum Abschluss noch eine Auswahl an gemessenen Böen und Neuschneemengen:

Spitzenböen:

Feldberg (Schwarzwald): 165 km/h - Hornisgrinde (Schwarzwald): 153 km/h - Frasdorf-Greimelberg (Chiemgau): 125 km/h - Stötten (Alb): 121 km/h - Chieming (Chiemgau): 120 km/h - Freudenstadt (Schwarzwald): 113 km/h - Lindau (Bodensee): 111 km/h - Mühldorf am Inn: 107 km/h - Friedrichshafen (Bodensee): 107 km/h - München-Flughafen: 107 km/h

Neuschnee:

Monschau (Eifel, 535 m): 22 cm - Dahlem-Schmidtheim (Eifel, 573 m): 16 cm - Bruchweiler (Hunsrück, 548 m): 21 cm - Hahn (Hunsrück, 497 m): 17 cm - Oberzent-Beerfelden (Odenwald, 450 m): 17 cm - Schollbrunn (Spessart, 408 m): 23 cm - Ruppertshütten (Spessart, 370 m): 22 cm - Plech (Fränkische Alb, 443 m): 19 cm - Weiden (Oberpfalz, 440 m): 17 cm - Wattendorf (Fränkische Schweiz, 522 m): 12 cm


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.02.2020

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