Der neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ist derzeit im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde. In einigen Nachrichten werden auch Zusammenhänge mit dem Wetter dargestellt, beispielsweise soll durch das kommende Frühlings- und Sommerwetter die Epidemie eindämmt werden. Aber was davon stimmt?
Seit Anfang des Jahres "wütet" der neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ("Severe Acute Respiratory Syndrome"-Coronavirus-2; dt. "Schweres Akutes Atemwegssyndrom") mit mittlerweile fast weltweiter Ausbreitung. Für die durch den Virus ausgelöste Lungenkrankheit Covid-19 ("Corona Virus Disease 2019") gab es am heutigen Montagmorgen weltweit über 110.000 bestätigte Fälle und mehr als
3.800 Tote. In Deutschland wurden bisher rund 1000 Fälle registriert, aber hierzulande glücklicherweise noch keine Toten. Eine weitere Ausbreitung des Virus ist sicher.
Nun spekulieren einige Wissenschaftler, dass das Wetter einen Einfluss auf die weitere Ausbreitung haben könnte. Dabei haben manche Forscher die Hoffnung, dass der nun beginnende Frühling und der nachfolgende Sommer auf der Nordhalbkugel die Verbreitung zunehmend aufhalten. Kann das Wetter den Virus tatsächlich stoppen oder zumindest eindämmen?
Allgemein gilt, dass die meisten Viren bei Kälte länger überleben als bei Hitze. Es gibt aber auch Viren, denen Hitze nichts ausmacht, beispielsweise der das Dengue-Fieber auslösende Virus in tropischen Regionen. Eine Studie zur SARS-Coronavirus Pandemie 2003 zeigte, dass Coronaviren schneller inaktiv werden, je höher die Temperatur und desto feuchter die Luft ist (vgl. "The Effects of Temperature and Relative Humidity on the Viability of the SARS Coronavirus", K.H. Chan et al., 2010; https://www.hindawi.com/journals/av/2011/734690/). Der Studie zufolge konnte der Effekt bei einem Vergleich von raumluftähnlichen Bedingungen (22 bis 25 Grad, 40 bis 50 % Luftfeuchtigkeit) mit tropischen Bedingungen (38 Grad, über 95 % Luftfeuchtigkeit) gefunden werden. Bei raumluftähnlichen Bedingungen überlebt der Virus auf Gegenständen allerdings noch bis zu 5 Tage.
Für den aktuellen Coronavirus liegen zwar noch keine Studien vor, dennoch könnte es tatsächlich einen Zusammenhang geben: So liegen die Fallzahlen auf der Südhalbkugel, wo gerade Sommer ist, niedriger als auf der Nordhalbkugel (siehe dazu die Weltkarte der bestätigten Fälle vom Johns Hopkins CSSE unter https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7 594740fd40299423467b48e9ecf6).
Ähnlich wie Temperatur und Feuchtigkeit mindert auch UV-Strahlung die Aktivität von Viren (vgl. "Far-UVC light: A new tool to control the spread of airborne-mediated microbial diseases", Welch et al., 2018; https://www.nature.com/articles/s41598-018-21058-w). Offenbar wirkt UV-Strahlung auch auf Coronaviren, ob sie jedoch einen Effekt auf SARS-CoV-2 hat, ist bisher noch nicht bewiesen.
Neben diesen beiden direkten Mechanismen über die Wetterparameter gibt es allerdings noch weitere Punkte zu beachten. So halten sich Menschen in der kalten Jahreszeit vermehrt in geschlossenen Räumen auf, dort ist die Luft aber meist trockener als draußen und daher günstiger für die Überlebenschancen des Virus. Neben der erhöhten Ansteckungsgefahr durch engeren Kontakt mit infizierten Personen verteilen sich die Tröpfchen in der trockenen Raumluft besser, sodass man sich durch Schmierinfektionen an Gegenständen infizieren kann. Des Weiteren sind die Schleimhäute der Menschen im Winter normalerweise anfälliger für Viren, weil die Durchblutung bei Kälte schlechter ist.
Als Fazit lässt sich sagen, dass die Auswirkungen des Wetters auf den neuartigen Coronavirus noch unklar sind. Es besteht aber durchaus Hoffnung, dass zunehmend wärmeres und sonniges Wetter die Ausbreitung zumindest auf der Nordhalbkugel abschwächt. Allerdings würde dies voraussichtlich mit einer Zunahme der Fälle auf der Südhalbkugel "erkauft" werden. Außerdem könnte der Virus im Herbst in einer zweiten Welle bei uns zurückschlagen, wobei wir bis dahin durch das Sommerwetter immerhin Zeit gewinnen könnten. Damit steigt die Hoffnung auf einen Impfstoff oder einen antiviralen Wirkstoff, an denen die Wissenschaftler derzeit fieberhaft basteln.
Dipl.-Met. Simon Trippler
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 09.03.2020
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