Bei Spaziergängen durch die Natur oder im eigenen Garten ist es deutlich zu erkennen - die Vegetationsentwicklung ist schon deutlich fortgeschritten. Doch welche Probleme kann dieser "Frühstart" mit sich bringen?
Vor wenigen Tagen (am 29.02.) ging der sogenannte "meteorologische Winter" zu Ende, wobei die Definition dessen - wie an dieser Stelle schon öfter erklärt - rein statistische Gründe hat. Zum Ende einer jeden Jahreszeit veröffentlicht der DWD traditionell auch die klimatologische Auswertung des jeweils abgelaufenen Jahresviertels. Für den vergangenen Winter titelt die entsprechende DWD-Pressemitteilung mit folgender Schlagzeile: "In Deutschland zweitwärmster Winter seit Aufzeichnungsbeginn 1881". Nun wird zwar von einer solchen Aussage durchaus kurz Notiz genommen, aber in der aktuell sehr hochfrequenten und schnelllebigen Nachrichtenwelt wird diese dann doch wieder zügig vergessen. Umso mehr soll an dieser Stelle ein kleiner Aspekt der möglichen Konsequenzen angesprochen werden.
Die großen positiven Abweichungen zu den langjährigen Temperaturmittelwerten tangieren große Teile der Bevölkerung erstmal nicht wesentlich - wenn man von den enttäuschten Winterliebhabern absieht (quasi ein "Luxusproblem"). Beispielweise kam es kaum zu winterlichen Straßenverhältnissen, Streusalz konnte zu Gunsten der Natur gespart werden und wahrscheinlich werden sich auch die Heizkosten am unteren Ende der Fahnenstange bewegen. Doch einige, die mit oder in der Natur arbeiten, haben durchaus auch ein paar Sorgenfalten. Beispielsweise beginnt in allen deutschen Regionen die Vegetationsperiode mehrere Wochen früher als aus den langjährigen Aufzeichnungen abgeleitet werden kann. Um solche Aussagen wissenschaftlich fundiert treffen zu können, betreibt der DWD ein umfassendes Beobachtungsnetz. Dabei beobachten quer über das Land verteilt die damit betrauten Melder die Vegetationsentwicklung und teilen den Beginn von klar definierten phänologischen Abschnitten dem DWD mit. Im Frühling ist der Indikator beispielweise der Blühbeginn der verschiedenen Pflanzen.
Aus den gesammelten Daten wird schlussendlich die sogenannte phänologische Uhr erstellt, die sowohl bundesweit als auch für die einzelnen Länder verfügbar ist. Diese zeigt aktuell, dass beispielsweise der Erstfrühling - bundesweit gesehen - bereits mit dem 08.03. begann. Angezeigt wird diese Vegetationsperiode durch den Blühbeginn der Forsythie. Normalerweise würden man die Blüte der erwähnten Pflanze im Mittel erst ab dem 26.03. erwarten, damit hat die Natur im Jahr 2020 einen "Vorsprung" von fast drei Wochen. Doch was hat das jetzt für Konsequenzen?
Der Frühling ist normalerweise jene Jahreszeit, während der es häufiger als in den anderen Jahresvierteln zu einer Änderung der Wetterlage kommt. Sehr warme Südwestströmungen werden beispielsweise innerhalb weniger Tage von kalten Nord- oder Nordostlagen abgelöst. Solche Kaltluftepisoden können teilweise bis in den Mai hinein oder sogar noch Anfang Juni vorkommen, davon zeugen die historischen Singularitäten der "Eisheiligen" oder der "Schafskälte". Allerdings beschränkt sich die Möglichkeit von Nachtfrösten im fortgeschrittenen Frühling dann doch zunehmend auf das Bergland. Ganz anders ist die Situation aber in den Monaten März oder April zu beurteilen. Starke Kaltlufteinbrüche gehen in diesen Monaten oft bis ins Flachland mit leichten, teilweise auch noch mäßigen Nachtfrösten einher. Die daraus resultierenden Konsequenzen können aber für die jeweils blühende Kultur schwerwiegend sein. Ist die Natur nun ihrer Zeit sehr weit voraus (z.B. bei frühblühenden Obstsorten), steigt damit auch die Wahrscheinlichkeit mit solchen Problemen konfrontiert zu werden.
Wie schaut es nun aber in den kommenden Tagen aus? Derzeit dominiert noch die seit Wochen relevante Wetterlage "West", mit der am heutigen Donnerstag eine Kaltfront von der Mitte südwärts gelenkt wird. In den Frühstunden des Freitags wird diese die Alpen erreichen. Die milde bis sehr milde Luftmasse wird damit vorübergehend durch etwas erwärmte Meeresluft polaren Ursprungs ersetzt. In der Nacht zum Samstag sinkt die Temperatur daher recht verbreitet unter den Gefrierpunkt. Ab Sonntag dreht die Strömung auf Südwest, ab dem Wochenbeginn mischt auch zunehmend Hochdruckeinfluss in der Wetterküche mit. Dementsprechend wird es wieder mild bis sehr mild und die Sonne kann sich zeit- und gebietsweise sehr gut behaupten. In der zweiten Wochenhälfte ist die genaue Lage des Hochdruckgebiets allerdings einigen Unsicherheiten unterworfen, sodass auch ein neuer Kaltluftvorstoß mit zumindest regionalen Nachtfrösten wahrscheinlicher wird. Daher unser Rat: Sollten Sie an den frühlingshaften Tagen ihre empfindlichen Pflanzen bereits ins Freie stellen wollen, könnte zur Entscheidungsfindung beispielweise die für viele Orte Deutschlands verfügbare Frostwahrscheinlichkeit helfen (siehe https://www.dwd.de/DE/leistungen/frostgang/frostgang.html) oder zumindest die anschließende tägliche Lektüre unserer Wetterberichte.
Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.03.2020
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