Es schüttet aus Eimern und ein Schirm ist nicht in Sicht. Wie bleibt man trotzdem möglichst trocken? Soll man lieber schnell rennen oder doch besser langsam gehen?
Am heutigen Freitag ziehen mancherorts dichte, graue Regenwolken vorüber: Im Norden und der Mitte fallen daraus meist nur ein paar Tropfen, im Süden hingegen können sich in der zweiten Tageshälfte kräftige Schauer, teils sogar Gewitter mit Starkregen entwickeln. Der ein oder andere wird sich dann bei so einem Regenguss unterstellen und überlegen: "Sollte ich besser schnell durch den Regen rennen oder lieber langsam gehen, um nicht komplett durchnässt anzukommen?" Und er oder sie grübelt vielleicht weiter: "Wenn ich schneller gehe, bin ich dem Regen für kürzere Zeit ausgesetzt, aber dafür werde ich von vorne stärker nass". Gibt es also vielleicht so etwas wie eine optimale Laufgeschwindigkeit?
Viele Physiker und Mathematiker haben sich schon mit dieser alltäglichen Frage beschäftigt - dabei zeigte sich immer wieder: Die Sache ist gar nicht so trivial! Denn verschiedenste Faktoren haben Einfluss auf das Ergebnis, angefangen bei der Körperform des Menschen über die Größe der Regentropfen bis hin zur Windgeschwindigkeit.
Machen wir es uns aber zunächst einfach und gehen davon aus, dass kein Wind bläst, der Regen also senkrecht nach unten fällt und der Mensch ein langgestreckter, aufrechtstehender Quader ist - seine Figur also der eines Backsteines gleicht (ok, das ist schon eher selten, aber soll's geben?). Dann wird dieser Mensch beim Laufen vor allem an zwei Stellen nass: an seiner Oberseite und an seiner Vorderseite.
Betrachten wir zunächst die Oberseite (also quasi Kopf und Schultern): Da pro Sekunde immer die gleiche Menge Wasser pro Flächeneinheit vom Himmel fällt, hängt die Regenmenge von oben lediglich von der Zeit ab, wie lange jemand im Regen unterwegs ist. Betrachtet man allein die Oberseite, ist es also am besten, so schnell es geht zu laufen, um möglichst trocken zu bleiben.
Etwas anders sieht es bei der Seitenfläche unseres quaderförmigen Modellmenschen aus, genauer gesagt für seine Vorderseite in Laufrichtung. Denn die dort auftreffende Regenmenge hängt nicht von der Laufgeschwindigkeit ab! Als Erklärungshilfe dient die geometrische Veranschaulichung der beigefügten Grafik: Seitlich wird der Mensch von Tropfen getroffen, die sich in einem Parallelogramm befinden, dessen Fläche allein von der Höhe des Quaders (also quasi der Körpergröße) und dem zurückgelegten Weg abhängt.
Die Grafik zeigt: Das dunkelblaue Parallelogramm (und damit die seitlich auftreffende Regenmenge), verändert bei geringer Geschwindigkeit zwar seine Form, nicht jedoch seine Fläche. Denn die Fläche (Seite mal Höhe) bleibt konstant.
Damit ergibt sich: Die Laufgeschwindigkeit hat zwar keinen Einfluss auf die seitlich treffende Regenmenge, wohl aber auf die, die einen von oben trifft. Deshalb wäre ein instinktives "renn, so schnell du kannst" genau das Richtige - zumindest bei diesen vereinfachten Annahmen.
So viel zur Theorie: Und was bedeutet das nun konkret? Wenn es regnet und man einen Weg von 100 m vor sich hat, das Verhältnis der eigenen backsteinartigen Figur bei 0,2 (Höhe durch Breite) liegt, der mäßige Regen eine Dichte von 2 g/m³ und eine Geschwindigkeit von 5 m/s hat und man ebenfalls flott mit 5 m/s durch den Regen sprintet, würde die Wassermenge, die einen trifft bei 120 g liegen (auf die Formel soll an dieser Stelle verzichtet werden). Schlendert man hingegen im normalen Fußgängertempo (4 km/h ? 1 m/s) bekäme man mit 190 g schon deutlich mehr Regen ab.
Es hat sich jedoch gezeigt, dass das Ergebnis ein anderes ist, wenn man den laufenden Menschen nicht als Quader modelliert. Vielmehr gleichen wir eher einer Mischung aus Zylinder, Kegel und Kugel - und da schlagen Regengüsse natürlich ganz anders zu. Auch wenn starker Rückenwind den Regen peitscht, ist das Ergebnis so nicht mehr gültig: Dann ist es unter Umständen besser, genauso schnell zu laufen, wie die Regentropfen in Laufrichtung vom Wind abgelenkt werden. Bei den Untersuchungen wurden auch festgestellt, dass die Größe der Regentropfen das Ergebnis beeinflusst, da sie deren Fallgeschwindigkeit bestimmen.
Der italienische Physiker Franco Bocci, der sich diesen Überlegungen annahm, resümierte: "Es gibt keine allgemeingültige Lösung". Also mal wieder eine schwammige Aussage eines Wissenschaftlers, die einen im Alltag nun auch nicht wirklich weiterbringt? Nicht ganz: Denn in der Regel wird man oberhalb der optimalen Geschwindigkeit, sofern diese existiert, nur etwas mehr nass. Schnelles Rennen bleibt also eine gute Strategie!
Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.03.2020
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