Nach der frühlingshaften Episode bis zum vergangenen Freitag steht nun erneut sehr sonniges Wetter ins Haus. Allerdings werden mit einem eisigen Ostwind kalte Luftmassen herangeführt, die sich durch den teils starken Wind noch deutlich kälter anfühlen.
Verbreitet zweistellige Höchsttemperaturen konnten in Deutschland in den vergangenen Tagen vom 15. bis zum 20. März genossen werden. In Rheinfelden (Baden-Württemberg) zeigte das Thermometer als höchste Temperatur dieser Phase am 19. März sogar 21,2 Grad an. Dazu gab es gebietsweise viel Sonnenschein, sodass der Frühling seine erste Visitenkarte abgab und Obstbäume bereits anfingen zu blühen. Eine Kaltfront sorgte seit Freitag jedoch dafür, dass die Temperatur zunächst im Norden, seit dem gestrigen Samstag dann auch im Süden Deutschlands immer mehr zurückging. In den nächsten Tagen bleiben unter anhaltender Zufuhr kalter Luftmassen zweistellige Höchstwerte eher die Ausnahme. Mit dem sich einstellenden teils lebhaften Ostwind fühlen sich diese Höchsttemperaturen darüber hinaus noch einmal deutlich kälter an.
Beim Temperaturempfinden des Menschen entspricht die sogenannte "gefühlte Temperatur" nur dann der Lufttemperatur, wenn quasi "ideale" Bedingungen herrschen. Dafür müsste ein Mensch sich bei der entsprechenden Temperatur angemessen kleiden und sich nur langsam im Schatten bewegen, die Luftfeuchtigkeit dürfte nur mittlere Werte erreichen und der Wind höchstens leicht wehen. Im Sommer fühlt sich die Temperatur bei hohem Wasserdampfgehalt der Luft und wenig Wind in der Sonne meist wärmer an (bis hin zur Schwüle). Bei viel Wind hingegen wird die Temperatur vor allem im Winter als deutlich kälter empfunden als sie tatsächlich ist.
Dieses auch als "Wind Chill Effekt" (Windabkühlungseffekt) bekannte Phänomen sorgt für eine Abkühlung auf der Haut, wenn die Hauttemperatur höher ist als die Umgebungstemperatur. Der Wind-Chill-Effekt wirkt umso stärker, je kräftiger der Wind weht. Er ist vor allem in den Wintermonaten ein geeigneter Parameter zur Bewertung der thermischen Belastung. Bei einer Lufttemperatur von 0 Grad und Windgeschwindigkeiten von 25 km/h wird die Temperatur wie -6 Grad empfunden, bei -10 Grad wie -19 Grad.
Die gefühlte Temperatur wird beim DWD durch das sogenannten "Klima-Michel-Modell" berechnet. Dieses ermittelt den Wärmehaushalt eines Modellmenschen, den "Klima-Michel". Der Klima-Michel wird dabei als ein Durchschnittsmensch angenommen, der 35 Jahre alt, 1,75 m groß und 75 kg schwer ist. Über ein Energiebilanzmodell lässt sich dann das Temperaturempfinden in Abhängigkeit der Lufttemperatur, der Feuchtigkeit, der Windgeschwindigkeit, der Sonnenstrahlung und der Bekleidung berechnen (weitere Informationen zum Thema unter www.dwd.de/lexikon, Stichwort "Klima-Michel-Modell").
Für die kommenden Tage werden Höchsttemperaturen im einstelligen Bereich erwartet, nur entlang des Rheins kann es auch mal knappe zweistellige Höchstwerte geben. Dazu weht um Hoch "Jürgen" mit Zentrum über Skandinavien bzw. Nordosteuropa ein flotter Wind aus Ost bis Nordost. Dieser frischt vor allem in der Südwesthälfte stark böig auf mit Windgeschwindigkeiten bis 60 km/h (Bft 7). Zeitweise sind bis ins Tiefland stürmische Böen um 65 km/h (Bft 8) möglich. Im Bergland treten noch stärkere Böen bis hin zu Sturmböen um 85 km/h (Bft 9) auf. Im Nordosten ist der Wind nicht ganz so stark, aber mit Böen bis 45 km/h (Bft 6) auch noch lebhaft und spürbar. In den Nächten nimmt der Wind bei fehlendem Tagesgang immer etwas ab.
So wird die gefühlte Temperatur trotz fast ungestörtem Sonnenschein tagsüber meist nur zwischen 0 und -10 Grad liegen, im Bergland auch noch deutlich darunter (siehe dazu die angefügte Grafik mit den vorhergesagten gefühlten Temperaturen für den heutigen Sonntag und Montagfrüh unter
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2020/3/22.html)! In den Nächten, in denen sowieso schon verbreitet leichter bis mäßiger Frost zwischen 0 und -10 Grad auftritt, liegt die gefühlte Temperatur zwischen -8 und -19 Grad, im Bergland zum Teil bei -25 Grad! Solche gefühlten Temperaturen hat es im vergangenen Winter kaum gegeben. Nach der frühlingshaften Episode werden wir also nochmal an den Winter erinnert. Dicke Jacke, Schal, Mütze und Handschuhe können für außerhäusliche Aktivitäten also getrost wieder hervorgeholt werden. Nicht zu vergessen ist dabei aber, dass, wenn Sie unbedingt hinausgehen wollen, Sie derzeit bitte auf jeden Fall den Mindestabstand von 2 Metern zu ihren Mitmenschen einhalten sollten (#flattenthecurve, #wirbleibenzuhause)!
Dipl.-Met. Simon Trippler
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.03.2020
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