Die Höhenwetterkarte zeigt derzeit viele Druckgebilde, die um Vorherrschaft im europäisch-atlantischen Raum ringen. Dadurch wird auch die Prognosegüte beeinträchtigt.
Seit Tagen nun wird bereits der Kaltlufteinbruch ab Montag, 09.05.2020 verkündet. Auch ein schlüssiger Zusammenhang mit den bevorstehenden Eisheiligen wird ins Spiel gebracht. (siehe Pressemeldung DWD vom 08.05.2020:https://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/DE/2020/20 200508_eisheilige_news.html).
Derweil findet im europäisch-atlantischen Wetterraum ein Kräftemessen statt, das seinesgleichen sucht. Ein Blick auf die Verteilung der Druckgebilde in etwa 5500 m Höhe (als Maßstab für die großräumigen Strömungsverhältnisse und Wetterentwicklungen verwendet) für den morgigen Sonntag, 10.05.2020 um 18 Uhr UTC, hier vom ICON-Modell (siehe Bild anbei) verrät, warum:
Hier tummeln sich geradezu Hoch- und Tiefdruckgebiete auf synoptisch gesehen recht engem Raum. Südlich von Grönland bis etwa westlich der Britischen Inseln erstreckt sich ein in letzter Zeit häufiger Gast in diesem Gebiet, nämlich ein kräftiges Hochdruckgebiet, auch Höhenrücken genannt. Dadurch entsteht eine Blockierung der sonst in diesen Breiten vorherrschenden westlichen Höhenströmung mit eingelagerten atlantischen Tiefdruckgebieten. Die Luft und auch die Tiefs müssen also im Uhrzeigersinn um dieses Hoch herumfließen. Damit wird östlich davon bei tiefem Luftdruck über Skandinavien Polarluft weit nach Süden geführt. Weiter nach Süden auf dem Atlantik ist dagegen ein langgestreckter Bereich mit tiefem Luftdruck zu erkennen, der auf dem europäischen Kontinent, speziell von Mittel- bis nach Südosteuropa reichend wiederum von hohem Luftdruck flankiert wird.
Bis hierhin sprechen wir von einem so genannten Viererdruckfeld mit den vorgenannten Playern in der Runde. Hinzu kommt, dass die stark meridionale Wellenbewegung beidseits der genannten Druckgebilde ebenso relativ stationär, also unbeweglich ist. Damit werden nun unsere Player genötigt, in dem ihnen zur Verfügung stehenden Raum tätig zu werden. Und genau das tun sie auch. Sie bewegen sich aufeinander zu, bei nur leichter westlicher Höhenströmung auch insgesamt etwas nach Osten ausweichend. Aber auf jeden Fall deformieren sich die Druckgebilde dabei ständig gegenseitig. Das wiederum führt zu wechselnden und nicht unbedingt strömungsparallelen Windrichtungen im Bereich der Deformationszonen. Genau diese abweichenden Winde und die daraus resultierenden vermehrten Zirkulationen auch quer zur Strömungsrichtung können das synoptische Gesamtbild gehörig verzerren. Andere Verlagerungen von Hochs und Tiefs sowie eine veränderte Lage von Fronten als vom Modell gerechnet können die Folge sein. Der Maßstab dieser Verschiebungen kann durchaus einige hundert Kilometer betragen und damit mitunter darüber entscheiden, wo z.B. Dauerniederschlag fällt oder vermehrt Schauer und Gewitter zu erwarten sind.
Letztendlich ist in unserem Fall die entscheidende Frage, wie weit die Kaltluft am Wochenanfang (12./13.Mai) nach Süden vorandringt und wie stark die kompensierende Wirkung eines sich über Südeuropa regenerierenden Höhenrückens nach Norden hin im Verlauf der Woche ausfällt. Wohlgemerkt werden unsere Player im Viererdruckfeld mit den flankierenden Wellen erhalten bleiben. Genau dazu schwanken die Prognosen der Wettermodelle derzeit immer mal wieder hin und her.
Ein Vergleich drängt sich auf mit der Mechanik - diese Bewegungen und Gegenbewegungen erinnern in der Form und Stärke an einen unelastischen Stoß, wo ja die jeweiligen Beteiligten auch deformiert werden und sich nach dem Zusammenprall mit unterschiedlicher Geschwindigkeit weiterbewegen oder eben komplett blockieren.
In diesem Sinne darf man auf die weitere Entwicklung der nächsten Woche (12.05 bis 18.05.20) durchaus gespannt blicken, da die Prognosegüte der Wettervorhersagen bei derartigen Lagen erfahrungsgemäß beeinträchtigt wird.
Dr. rer. nat. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 09.05.2020
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