Wer sich mit dem Wetter beschäftigt, stolpert ganz schnell über viele gängige Begrifflichkeiten. Aber es steckt noch einiges mehr dahinter. Dieses Thema des Tages soll der Auftakt zu einer kleinen Serie sein, in der einige dieser tiefergehenden Begriffe vorgestellt und erklärt werden. Das "Geopotenzial" macht hierbei den Anfang, denn es ist eine der Grundzutaten für die Wetteranalyse und -vorhersage.
Die meisten von Ihnen, gerade als Besucher unserer Seite, dürften sicher schon mal eine klassische Wetterkarte zu Gesicht bekommen haben. Darauf findet man u.a. Hoch- und Tiefdruckgebiete, Warm- und Kaltfronten, und die Isobaren als Linien gleichen Luftdrucks, um die Druckgebiete darzustellen. All diese Dinge spielen natürlich auch beim DWD in der Vorhersage eine Rolle. Aber wenn der Meteorologe eine Vorhersage erstellt, dann taucht er noch tiefer in die Materie ein, und beschäftigt sich mit Themen, die dem normalen Nutzer normalerweise nicht über den Weg laufen.
Will der Meteorologe nun eine Vorhersage machen, so schaut er sich eine solche Karte an. Allerdings tut er das nicht nur für das Geschehen am Boden, sondern auch in der Höhe. Denn das, was in der Höhe passiert, ist entscheidend für das Wettergeschehen am Boden. Dabei betrachtet man in der Meteorologie die Höhe allerdings nicht in Metern oder Kilometern, sondern als Fläche gleichen Luftdrucks, ähnlich den Isobaren. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, so erschließen sich dem Vorhersager auf diese Weise viele atmosphärische Prozesse deutlich besser. Nun stellt sich die Frage: Wenn man eine Fläche gleichen Luftdrucks betrachtet, so erkennt man dort ja keine Druckgebiete mehr, denn es herrscht ja überall der gleiche Luftdruck? Das ist so zunächst durchaus richtig.
Deswegen gibt es einen anderen Weg, um zu sehen, wie die Druckgebiete in der Höhe verteilt sind: Man schaut, in welcher Höhe sich das Druckniveau befindet. Befindet es sich in einer größeren Höhe als in seiner Umgebung, so befindet sich dort ein Höhenhoch. Liegt es dagegen tiefer, so handelt es sich um ein Höhentief.
Es wäre natürlich ganz wunderbar, wenn es so einfach wäre, aber es stellt sich dabei noch eine weitere, nicht ganz triviale Problematik dar: Um ein Luftpaket auf eine andere Höhe zu bringen, muss im physikalischen Sinne Arbeit gegen das Schwerefeld der Erde verrichtet werden. Das Prinzip ist das gleiche, wenn Sie auf einer Leiter nach oben steigen, denn das strengt auch mehr an, als einfach unten auf dem flachen Boden umherzulaufen. Nun ist es so, dass global gesehen die Schwerebeschleunigung nicht überall gleich verteilt ist. Aufgrund der Tatsache, dass die Erde sich dreht, ist z.B. die Schwerebeschleunigung am Äquator etwas geringer als am Pol, da dort die Zentrifugalkraft entgegenwirkt.
Der Meteorologe hätte es nun aber gerne, wenn er auf der ganzen Erde die benötigte Arbeit gegen das Schwerefeld überall miteinander vergleichen kann. Aus diesem Grund wurde die Größe "Geopotenzial" eingeführt, in der die Unterschiede im Schwerefeld mit berücksichtigt werden. Diese wird in der Einheit "geopotentielles Meter", abgekürzt gpm, angegeben, und unterscheidet sich je nach Region um 0.5% bis 2% von der tatsächlichen Höhe. Damit erhält man nun eine global miteinander vergleichbare Höheneinheit, die in der Vorhersage im täglichen Gebrauch ist. In der unten angefügten Abbildung ist beispielhaft eine Karte mit der Geopotenzialverteilung in geopotenziellen Dekametern (d.h. gpm/10) und der Temperatur des Druckniveaus 500 hPa aus unserem ICON-Modell dargestellt. Das Niveau 500 hPa wird dabei häufig gebraucht, weil es ungefähr die Mitte der Troposphäre (d.h. die Atmosphäre in etwa 5,5 km Höhe) darstellt, in der sich das zentrale Wettergeschehen abspielt.
Felix Dietzsch, M.Sc.
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.08.2020
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