Im heutigen Thema des Tages wird anhand eines Beispiels die sogenannte Anafront vorgestellt.
Tiefdruckgebiete der mittleren Breiten werden gewöhnlich von Wetterfronten begleitet, die einen Luftmassenwechsel einleiten. Dabei wird bekanntlich zwischen Warm- und Kaltfronten sowie Okklusionen (Mischfronten) unterschieden. In Zeitungswetterkarten oder im TV-Wetterbericht sind sie als farbige Linien gekennzeichnet: rot mit Bäuchen (Warmfront), blau mit Zacken (Kaltfront), pink mit Bäuchen und Zacken (Okklusion). Die Lage der Fronten ist sowohl für uns Meteorologen als auch für Sie von großer Bedeutung, da Fronten oft mit Niederschlägen verbunden sind. Diese kommen durch Hebungsvorgänge zustande, da bei einer Warmfront die leichtere Warmluft auf die schwerere sich am Boden befindliche Kaltluft aufgleitet oder sich bei einer Kaltfront die kältere Luft unter die Warmluft schiebt.
Aber wussten Sie eigentlich, dass es sogar unterschiedliche Arten von Kaltfronten gibt? Wir unterscheiden zwischen Kata-Kaltfronten (kurz: Katafront) und Ana-Kaltfronten (kurz: Anafront). Im heutigen Thema des Tages erklären wir anhand eines Beispiels die Eigenschaften der Anafront. Bei diesem Kaltfronttyp gleitet die Warmluft auf die einfließende Kaltluft auf (siehe Skizze 1), weshalb die Anafront auch als Aufgleitfront (griech.: ana - hinauf) bezeichnet wird. Gleichzeitig schiebt sich die Kaltluft keilförmig unter die Warmluft und sinkt hinter der Bodenfront ab.
Der wichtigste Unterschied zur Katafront ist, dass der Großteil der Niederschläge an und hinter der Front fällt (siehe Skizze 2). Direkt vor der Kaltfront ist die Aufstiegsbewegung am stärksten (dicker roter Pfeil in Skizze 2). Dadurch entsteht häufig parallel zur Bodenfront eine wenige Kilometer breite Schauerlinie. Eine besonders eindrucksvolle Anafront formierte sich bei Orkantief VICTORIA am Abend des 16. Februar dieses Jahres. Wie mit dem Fineliner gezogen erkennt man eine markante Schauerlinie auf dem Radarbild, die sich von der Westküste Frankreichs bis zur Schleswig-Holsteinischen Ostseeküste erstreckt. Hinter der Front ist die Vertikalbewegung deutlich schwächer, die Warmluft gleitet also gemächlich oberhalb der einfließenden Kaltluft auf (dünner roter Pfeil). Dadurch entsteht ein breites Band mit leichten bis mäßigen Niederschlägen, das ebenfalls gut auf dem Radarbild zu sehen ist. Vor der Front blieb es trocken.
Da der Niederschlag bei der Katafront größtenteils in die einfließende Kaltluft fällt, kommt es durch Verdunstung der Regentropfen (bzw. Sublimation von Schneekristallen) zu einer weiteren Abkühlung. Somit ist bei Frontdurchgang mit einem deutlichen Temperaturrückgang zu rechnen. Im Vorfeld der Kaltfront von Orkantief Victoria war es mit bis zu 18 Grad für die Jahreszeit außerordentlich mild (siehe Temperaturwerte im unteren kombinierten Radarbild). Dabei fällt auf, dass es direkt vor der Front wärmer war als etwas weiter von der Front entfernt. Hinter der Kaltfront war es mit etwa 8 Grad fast 10 Grad kühler. Durch den Feuchteeintrag der verdunstenden Regentropfen ist der Feuchterückgang an der Front meist nur gering. Manchmal (wie im Falle der hier vorgestellten Katafront) steigt der Wassergehalt der Luft sogar an. Dadurch ist an und hinter der Anafront die Sicht oft herabgesetzt.
Durch erhöhte Baroklinität (siehe DWD-Lexikon) in der Grenzschicht bildet sich vor der Front häufig ein Starkwindband in den untersten 1000 m der Atmosphäre, der sogenannte "Low Level Jet". Durch vertikale Umlagerungen können die hohen Windgeschwindigkeiten im Bereich der Schauerlinie bis zum Boden heruntergemischt werden, sodass der Wind an der Front für einige Minuten stürmisch aufleben kann. Vor der Kaltfront vom 16. Februar war der Low Level Jet sogar so mächtig, dass er schon bis zu 100 Kilometer vor der Front zeitweise bis zum Boden durchschlug, sodass es vielerorts noch innerhalb der Warmluft zu stürmischen Böen bis hin zu schweren Sturmböen kam.
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen Ana- und Katafront ist die Lage der Front relativ zum Jetstream, einem Starkwindband in der oberen Troposphäre (ca. 10 km Höhe). Im frühen Stadium einer Tiefentwicklung liegt der Jetstream noch nahezu parallel zur Kaltfront, sodass die Warmluft an der Kaltfront ungehindert aufgleiten kann. Im weiteren Verlauf vergrößert sich in der Nähe des Tiefdruckzentrums der Winkel zwischen Jetstream und Kaltfront und die Front entwickelt sich allmählich zur Katafront, worüber es in diesem Tagesthema aber nicht gehen soll.
Zum Abschluss betrachten wir noch den Frontdurchgang anhand der Messwerte der Wetterstation der Universität Bonn (siehe Diagramme). Kurz nach 20 Uhr Ortszeit überquerte die Front die Bundesstadt. Innerhalb weniger Minuten fiel die Temperatur von knapp 18 Grad auf unter 10 Grad ab. Da die einfließende Kaltluft aufgrund ihrer Temperatur eine größere Dichte besitzt, stieg der Luftdruck an der Front schlagartig um etwa 3 hPa an. Gleichzeitig drehte der Wind sprunghaft von Südwest auf Nordwest (zyklonaler Windsprung).
Wenn sich Deutschland in den nächsten Wochen mal wieder eine Kaltfront nähert, werfen Sie doch einfach mal einen Blick aufs Radarbild, vielleicht können Sie ja eine Anafront identifizieren?
Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.09.2020
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