Nicht nur der Blick aus dem Fenster, auch unsere Warn- und Vorhersagekarten sowie die Phänologische Uhr zeigen es: wir sind mitten im "Vollherbst" angelangt - und dieser hat in den nächsten Tagen einiges zu bieten.
Die Definition des Vollherbstes wird primär von der Pflanzenentwicklung in der Natur abgeleitet. Der Beginn dieser "Jahreszeit" wird durch die Fruchtreife der Stieleiche bestimmt, danach folgt die Reife von späten Birnensorten und der Weinreben. Zum Höhenpunkt des Vollherbstes verfärben sich die Blätter der Rosskastanie, der Hängebirken und die europäische Lärche taucht ihr Nadelkleid in eine leuchtende orange Farbe. Werden Verfärbung und Blattfall bei der Rotbuche und der Stieleiche beobachtet, findet bereits der Übergang in den Spätherbst bzw. den Winter statt. In diesem Jahr liegen wir nach der aktuellen Phänologischen Uhr ziemlich im Plan der langjährigen Mittelwerte, der Vollherbst begann demnach am 16.09. einen Tag früher als erwartet werden darf und läuft unter Berücksichtigung der normalen Dauer noch etwa eine Woche.
Wie vorhin schon angesprochen, kann der Vollherbst aber auch beim Blick auf unsere Warnkarte abgeleitet werden. Wir operieren bereits seit einigen Tagen mit Schneefallwarnungen in den höheren Lagen der Alpen, mit Warnungen vor leichtem Frost in manchem Mittelgebirge und natürlich gibt es die klassischen Nebelhinweise. So konnten in den heutigen Frühstunden am Alpenrand Schneeflocken bis auf etwa 1000 m beobachtet werden, auf der Schwäbischen Alb gab es in der Nacht zum Sonntag örtlich Luftfrost bis -4 Grad und in manchen Flachlandregionen sorgen stellenweise dichte Nebelfelder für Sichtweiten unter 150 m. Hervorzuheben ist, dass sich der Vollherbst im Jahr 2020 doch deutlich von manchen anderen Jahren unterscheidet, denn längere Hochdruckperioden - der sogenannte "Goldene Oktober" - fand bisher nicht statt (siehe auch Themen des Tages der vergangenen Tage). Stattdessen sorgte Tiefdruckeinfluss in variabler Stärke für eine allgemein wechselhafte Witterung.
An dieser Stelle kann nun auch schon verraten werden, dass sich das Attribut "wechselhaft" auch in den nächsten Tagen in den Wetterberichten finden lässt. Dazu gesellen sich zunehmend auch die Begriffe "regnerisch" und "windig" bzw. "stürmisch". Verantwortlich dafür ist - wenig überraschend - ein weiteres Tief mit dem Namen GISELA, das sich in den nächsten Stunden über dem Balkan bilden wird. Während sich heute und in der Nacht zum Dienstag über Deutschland noch schwacher Hochdruckeinfluss hält, zieht GISELA in einem Bogen über Osteuropa nordwärts und nähert sich in der Nacht zum Mittwoch der polnisch-deutschen Grenzregion an. Mit im Gepäck hat diese mäßigen bis starken Regen, der am Mittwoch die Nordosthälfte sowie Teile der Mitte beeinflussen wird. In unseren Modellen gibt es zwar noch ein paar zeitliche und räumliche Unschärfen, aber die Überschreitung von Warnschwellen für Stark- oder Dauerregen sind in den genannten Regionen gebietsweise möglich. Außen vor sind nach aktueller Modellsimulationen der äußerste Süden und Südwesten.
Doch nicht nur der Regen sorgt auf unserer Warnkarte eventuell für ein paar Farbkleckse, sondern auch der Wind wird eine gewichtige Rolle spielen. An der Nordwestflanke von GISELA frischt dieser nämlich am Mittwoch deutlich auf. Im Norden und Osten kann es gebietsweise zu starken oder stürmischen Böen bzw. zu einzelnen Sturmböen kommen. Besonders an der Ostseeküste sind auch schwere Sturmböen oder gar einzelne orkanartige Böen im Bereich des Möglichen. Langweilig ist der diesjährige Vollherbst damit jedenfalls nicht.
Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.10.2020
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