Sauerstoffisotope als Temperaturproxy


Um aktuelle und zukünftige Klimaveränderungen zu verstehen, ist es unerlässlich, die Klimageschichte der Erde möglichst genau zu kennen. Mithilfe der stabilen Sauerstoffisotope lassen sich hochwertige Rekonstruktionen der Temperatur aus Klimaarchiven wie Eisbohrkernen gewinnen.


Vielleicht haben Sie sich schon bei der Überschrift gefragt was ein Proxy ist. Dabei handelt es sich um einen indirekten Anzeiger des Klimas. Beispielhaft dafür stehen Baumringe, die uns das Alter des Baumes verraten oder Eisbohrkerne, die viele Informationen aus der Vergangenheit hüten.

Als Isotope werden Atome bezeichnet, die dieselbe Anzahl an Protonen und Elektronen besitzen, jedoch eine unterschiedliche Anzahl an Neutronen und somit eine unterschiedliche relative Atommasse aufweisen. Hinsichtlich ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften verhalten sich die Isotope eines Elements leicht unterschiedlich. Stabile Isotope von Elementen, die natürlicherweise in der Atmosphäre beziehungsweise im Meer vorkommen, können einen wesentlichen Beitrag zur Rekonstruktion von Temperatur und Eisbedeckung leisten. Eine besonders wichtige Rolle spielen dabei die stabilen Sauerstoffisotope (16O und 18O-Isotope) sowie der zweiwertige Wasserstoff (2H-Isotop), also die beiden Elemente, die zusammen das Wassermolekül bilden. Die mittlere Häufigkeit für das leichtere 16O-Isotop beträgt in der Natur 99,8 %. Nur rund 0,2 % entfallen auf das schwerere 18O-Isotop.

Ändert Wasser seinen Aggregatzustand, also beispielsweise, wenn Wasser verdunstet oder zu Eis gefriert oder wenn der Sauerstoff aus dem Wasser in einer anderen Substanz eingebaut wird, dann kann sich dieses Isotopenverhältnis verschieben. Das Ausmaß der Verschiebungen der Isotopenverhältnisse - auch Fraktionierung genannt - hängt vielfach von der Temperatur ab, bei der bestimmte Prozesse wie Verdunstung oder Kondensation von Wasser ablaufen. Diese Temperaturabhängigkeit ist wichtig für die Paläoklimatologie. Neben der Temperaturabhängigkeit zeigt das Verhältnis der Sauerstoffisotope 18O / 16O im Allgemeinen Änderungen in den atmosphärischen Zirkulationssystemen an, bei denen die Verdunstung, der Luftmassentransport und Kondensationsprozesse eine wesentliche Rolle spielen. Die Verschiebungen der Sauerstoffisotopenverhältnisse bei natürlichen Prozessen sind jedoch meist sehr gering. Mit einem Massenspektrometer lassen sich diese Änderungen dennoch sehr genau messen. Anstatt absolute Veränderungen in den Isotopengehalten zu bestimmen, wird das Verhältnis zwischen einer Proben- und einem Standardwert bestimmt und in Promille als Delta-Wert 18O angegeben.

Der Sättigungsdampfdruck von schwereren 18O Wassermolekülen ist etwas geringer als von normalen 16O. Aufgrund dieser Eigenschaft verdunsten schwerere Moleküle langsamer und kondensieren schneller. Durch die Verdunstung des Oberflächenwassers der Ozeane entsteht Wasserdampf, der sich somit bevorzugt aus isotopisch leichten Wassermolekülen zusammensetzt, während das Oberflächenwasser durch größere Mengen des schwereren Isotops angereichert wird. Mit dem Aufstieg in die Atmosphäre bilden sich Wolken, welche mit den globalen Windsystemen über die Kontinente bzw. zu den Polen transportiert werden und dabei eine sukzessive Abkühlung erfahren. Bei der Überquerung von Landmassen kondensieren Teile des Wasserdampfs und regnen nach und nach ab. Da nun die Wassermoleküle mit schwereren Isotopen leichter kondensieren, reichert sich der entstehende Niederschlag im Vergleich zum Wasserdampf mit schweren 18O-Isotopen an. Folglich wird der verbleibende Wasserdampf isotopisch leichter. Beim weiteren Luftmassentransport über die Kontinente und durch stetiges Abregnen wiederholen sich die Evaporations- und Kondensationseffekte, sodass die Niederschläge mit zunehmender Entfernung zur Ausgangsquelle des Wasserdampfes - also dem Ozean - isotopisch immer leichter werden. Somit lässt sich eine graduelle Abnahme des Delta-18O Gehalts von den Tropen zu den Polen feststellen, wo sich die leichtere Delta-18O Signatur im dort ablagernden Schnee und schließlich im bildenden Eis einlagert. Dass der Isotopenwert in Abhängigkeit von der Temperatur (maßgebend ist hier die Kondensationstemperatur des Niederschlags) schwankt, lässt sich beispielhaft ganz gut anhand eines beprobten Schneedeckenschachts bestimmen. Man erkennt in Abbildung 1 (https://bit.ly/3lki8mT) deutlich die starken saisonalen Schwankungen mit vergleichsweise hohen Delta-18O Werten im Sommer und niedrigen im Winter.

Trotz der komplexen Niederschlagsprozesse wurde eine empirische lineare Beziehung anhand von Schneeproben zwischen dem Delta-18O Wert und der mittleren vorherrschenden Jahrestemperatur gefunden. Wenn man annimmt, dass diese empirischen Beziehungen auch in der Vergangenheit gültig waren, kann man anhand von Isotopenmessungen an Eisbohrkernen die mittlere Jahrestemperatur berechnen. Diese ist für das Plateau des antarktischen Inlandeises ohne große Einschränkungen gültig und kann mit den längsten Eisbohrkernen über annähernd eine Million Jahre rekonstruiert werden.

Ein Klimawandel, der die globalen Muster von Verdunstung und Niederschlag verändert, wirkt sich grundlegend auf das Delta-18O Verhältnis aus. In klimatisch wärmeren Perioden mit stärkerer Verdunstung kann vermehrt 18O zur Wolkenbildung beitragen. Zudem können bei höheren globalen Temperaturen, die mit schwereren Sauerstoffisotopen angereicherten Wolken trotz mehrfacher Verdunstung und Kondensationszyklen weiter in die Polarregionen vordringen. Folglich müssen Eisschichten mit einem höheren relativen Anteil an 18O aus wärmeren Zeiten stammen (vergleichbar mit der saisonalen Schwankung). In Kaltzeiten werden hingegen vermehrt leichte Isotope im Eis angereichert. Kommt es in einer Warmzeit wieder zur Eisschmelze, so werden die leichten Isotope freigesetzt und steigen im Meerwasser relativ gesehen wieder an. Eisbohrkerne verraten uns somit viel über das Klima der Vergangenheit.


M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.11.2020

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